330 Sonftige Kunftwerke: Gott Vater hält den toten Chriftus, Auferweckung des Lazarus
fchmal, aber hoch gewölbt. Alle Formen find gut verftanden, wenn auch bei weitem
nicht fo eingehend behandelt wie etwa ein Holzkruzifixus des Riemenfchneider. Die
Hände find nicht ftarr, auch der Ausdruck des regelmäßigen Gefichts mit der vorge-
fchobenen Unterlippe des halbgeöffneten Mundes und den tief herabgezogenen Mund-
winkeln zwar tief föhmerzlich, aber nicht furchtbar. In allem ift diefer Chriftus weit
eher ein Vorläufer des feinen in feiner Art klaffifchen Chriftus Backoffens, als ein
Verwandter des Gekreuzigten Grünewalds mit feiner gefteigerten Leiblichkeit. Es
zeigt fich, wie feft diefer Stil — troß jenen Zügen, die aufs 16. Jahrhundert hinweifen
im Lebensgefühl des 15. Jahrhunderts verankert ift. Aber man würde doch vergeblich
in der deutfchen Malerei derfelben Zeit nach einer Parallelerfcheinung fuchen. Keiner
der großen Maler der 80er und 90er Jahre (Pacher vielleicht ausgenommen) hat feinen
Geftalten diefe felbftverftändliche Sicherheit und Größe des körperlichen Dafeins
geben können.
Gott Vater Gott Vater hält den toten Chriftus vor fich. K II. Grundriß S. 230:h.
hält den toten Photographie Kroft.
.. Eine Holzgruppe: Gott Vater fteht, von vorn gefehen, und hält den toten, nur mit
einem Lendentuch bekleideten Chriftus vor fich. Diefer kehrt Oberkörper und Geficht
nach vorn, ift aber im übrigen fo dargeftellt, als ob er mit geknickten Knieen nach links
[chritte. Nach einer Notiz Fr. Schneiders (in feinem Nachlaß Fasc. XXIII, I in der
Stadtbibliothek) ftammt das Werk aus der katholifchen Kirche in Waldülversheim (Rhein-
heffen) und wurde erft von Schneider in den Dom gebracht.
Die Gruppe mißt 1,05 0,70 m und ift ähnlich gefaßt wie die Holzreliefs S. 328 f.
Konfole, Baldachin und Bemalung find auch hier neu. Die Erhaltung ift gut, die Ar-
beit ift aber recht durchfchnittlich; fie mag im letten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts
entftanden [ein.
Auf- Die Auferweckung des Lazarus. KIV. Grundriß S. 230: i. Tafel 64a.
—_—n Klein, Der Mainzer Dom und feine Denkwürdigkeiten. Mainz 1863. S. 46 ([. oben
798,200). Photographie Kroft.
Das Hochrelief, 50 >68 cm groß, zeigt vier Reihen (Pläne) voll Figuren, die dicht
hinter- und übereinander geftellt find. Die vorderen Figuren find dabei vollrund. Die
Arbeit ift aus Lindenholz und war einmal gefaßt: reichliche Refte von Kreidegrund
und Farbe finden fich noch in den Tiefen. Das Relief ift alfo abgelaugt. Fußbrett,
Konfole, Rückwand und Dach find neu und gleichen den Faffungen der Reliefs S. 328 f.
Die Erhaltung ift gut.
Das Relief kam nach einer Notiz Kleins (a. a. O.) vor 1840 als ein Gefchenk des
Domherrn Grafen Franz von Keffelftatt (F 1841) in den Dom und wurde auf dem
Altar der Bonifatius-, der jesigen Muttergotteskapelle aufgeftellt; 1875 wird es feine
Stil heutige Stelle erhalten haben. Es ift [öhwerlich eine Mainzer Arbeit. Die Anordnung
der Figuren, die großen fihlanken Geftalten, die fehr perfönlich-individuellen Köpfe,
[hließlich die ganze Mache kommt fo in Mainz nicht wieder vor. Ähnliche Dinge
gibt es in der belgifch-niederrheinifchen und in der belgifch-weftfälifchen Holzplaftik.
Einer Einordnung in diefe Kunft widerftreitet aber nicht nur der Stoff, das Linden-
holz, fondern wie es fcheint auch Stil und Technik. Herr Dr. Lüthgen, den ich darum
befragt habe, hat mich freundlicherweife darauf aufmerkfam gemacht, daß die ganze
Mache dort anders ift, föhärfer, klarer, an den erhabenen Formen glätter; hier dagegen
ift fie weich, fließend, weniger überfichtlich. Lüthgen hält nicht für ausgefChloffen, daß
die Arbeit mittelrheinifch ift, aber ftark beftimmt durch fremde Einflüffe, die vielleicht
aus der Gegend von Troyes kamen. Er verwies mich in diefem Zufammenhang auf