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Memorie: Baubefchreibung, Gotifches Portal 379
feite find verhältnismäßig gut erhalten: es fehlen nur Kleinigkeiten — ein paar Zacken
an Kronen —; und ergänzt ift fo gut wie nichts — das Schwert des heiligen Martin.
Dagegen find die Figuren der Memorienfeite in einem viel fChlimmeren Zuftand.
Zwar erfchwert hier erft recht die dick aufgetragene neue Bemalung die Beurteilung.
Aber man kann feftftellen, daß drei Köpfe neu find; nur die heilige Barbara hat noch
den alten Kopf, und auch an ihm ift die Krone neu. Ferner find neu an der Katharina
das Rad und die linke Hand; am Albanus die Krümme feines Stabes; am Georg
die Schildfpige und ein kleiner Teil der linken Hand, ferner die rechte Hand und
die Lanzenfpige. Den Stil der Figuren haben Back und Isphording befchrieben.
Eine neue eingehende Würdigung ift in nächfter Zeit zu erwarten. Ich kann mich alfo
kurz faffen: gegenüber den Geftalten des 14. Jahrhunderts find hier die Proportionen
kürzer und voller. Die Freude an der wirklichkeitsgetreuen Bildung der Oberflächen
(Gefichter und Hände) ift fchon fehr groß. Alles ift weich und fleifchig, bei den jugend-
lichen Heiligen auch mit einer gewiffen Fülle gegeben. Die Gefichtszüge halten fich noch
an ein beftimmtes Schema (vergleiche die gefchwellten unteren Augenlider, diehoch und
rund geföhwungenen Augenbrauen ufw.), aber dies Schema ift natürlich. Das hindert
nicht, daß noch recht ftreng ftilifiertes Haar vorkommt. Der Gefamteindruck der Köpfe
ift der einer jugendlichen, ja kindlichen Frifche. Im Gewand ift das ftrenge Syftem des
14. Jahrhunderts vollkommen gelöft. Eine Menge neuer Motive. Der Mantel wird gern
offen getragen, und dann tritt feine Anordnung in Gegenfat zum Fall des Kleids
oder des Waffenrocks (Martin, Margarete, Agnes). Aber auch wo er um den Körper
enger herumgenommen wird, trägt oder hält man ihn gerne auf eine eigene Weife,
fodaß neue malerifche Motive fich ergeben (vgl. die beiden Barbara-Geftalten). Lang
hinfließende, fich weich umlegende Züge, runde, volle, mitunter faft fpig aus den
gerundeten Flächen heraustretende und dann anfchwellende Falten find befonders
bezeichnend. Der Ausdruck der Figuren ift beftimmt einmal durch ihr höchft un-
ficheres Stehen. Das ift inden Motiven noch altertümlich (auch da, wo es entfChiedener
fein foll, wie beim Martinus). Es ift aber vor allem fehr ausdrucksvoll: Anmut, ein
zartes, weiches Sichhingeben, Hinfchmelzen, fpricht fich aus. Und dazu paßt die Ge-
fühlsfeligkeit der Gefichter durchaus. Es ift alles in allem ein anziehender, der
gleichzeitigen Malerei ganz gewiß mindeftens ebenbürtiger Stil. Und diefer ordnet
fich nun deutlich zwifchen die legten Werke des 14. Jahrhunderts (Denkmal des Erz-
bifchofs Adolf von Naffau im Dom + 1390: vergleiche befonders die Engel dort) und
die nächften des 15. Jahrhunderts ein (Johann von Naffau + 1419). Backs Vermutung,
daß bei der Ausbildung diefer neuen Weife die Terrakotta-Plaftik mitgewirkt habe
(Veränderung der Proportionen, das volle runde weiche Wefen), ift einleuchtend.
Doch zeigt ein Blick auf die Malerei (Art des Meifter Wynrich von Wefel in Köln),
daß das Neue überhaupt im Sinne der Zeit war. Die Qualität der Figuren ift ver-
fhieden, die beften Stücke find, wie f&hon Back erkannt hat, unftreitig Stephanus
und Elifabeth. Sie unterfcheiden fich von den anderen nicht nur in Einzelheiten der
Form (vgl. die Stellung der Augen, die befonders geföhwollenen unteren Augenlider,
den hohen Schwung der Brauen, den beredten Mund), fie find überhaupt forgfäl-
tiger und eingehender modelliert, kleinteilig detailliert und in der Feinheit der Ein-
zelbehandlung am weiteften gebracht. Ihnen gegenüber find alle anderen [fumma-
rifcher: fie ftheinen fämtlich (auch der Martinus) im wefentlichen gleichartig und
zwar von Gehilfenhänden gearbeitet. Nur die Dorothea fällt aus diefer Gruppe
heraus (wie wiederum Back f&hon bemerkt hat): fie ift föhwächer und enger im
Herkommen befangen als die anderen. Die Figuren der Memorienfeite find lang-