Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

   
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Weftflügel 
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410 Eigentliche Stiftsgebäude: Weftflügel 
[prechen noch heute eine mächtige Sprache. Es fei noch darauf hingewiefen, daß auch 
eine ganz gewiffenhafte Verwertung der Domkapitelprotokolle und anderer Überliefe- 
rungen noch eine wahrftcheinlich fehr beträchtliche Ausbeute an Nachrichten über die 
Lage, Verbindung, Beftimmung und Ausftattung der einzelnen Raumabfchnitte diefer 
Bauten liefern würde. Eine Rekonftruktion des Ganzen wenigftens auf dem Papier 
würde unfere Anfchauung von dem Leben und Wirken des Domkapitels vor der 
großen Kataftrophe ganz erheblich bereichern. 
Ich beginne die Befchreibung wieder mit dem We ftflügel der Bauten. Hier bleibt 
uns nicht mehr viel zu fagen. Die Nikölauskapelle (im Lageplan A 5) und die ihr füd- 
lich angefchloffene fogenannte alte Präfenzkammer haben wir bereits kennen gelernt 
(f. oben S. 393 ff.). Beide Räume trugen einft Obergefchoffe. Das geht zunächft aus der 
Lagedeseinen Ausgangs derbefprochenen Doppeltreppe hervor(oben S.383 f.): während 
nämlich die eine Stufenfolge diefer Treppe in das Obergefchoß des Kreuzgangs mün- 
det, führt die andere zu einer Tür, die in einen freilich nicht mehr vorhandenen Raum 
über der Nikolauskapelle geht. Hier ift übrigens noch ein fehr hübfches Laubkapitell 
erhalten: ein Beweis, daß es fich hier überall noch um ftattlich ausgebildete, wohn- 
liche Räume handelt. Weiter ift aber die Tatfache des einftigen Vorhandenfeins von 
Obergefchoffen auch der oben auf S.11 genannten Anficht der Domruinen nach der Be- 
[hießung von 1793 zu entnehmen. Überdies erwähnt Bourdon ausdrücklich (S. 120) 
Räume über der alten Präfenzkammer; es bleibt dabei nur unklar, ob fich nicht ein Teil 
diefer Räume über der Nikolauskapelle, andere im Obergefchoß des Kreuzgangs be- 
funden haben, und welche; endlich, wie die Räume gruppiert waren. Ich führe feine 
Raumbezeichnungen’ hier kurz an: Hypocaustum camerae praesentialis, d. i. wohl 
„heizbare Stube“ der Präfenzkammer ; repositura litterarum cam. praes., wohl Archiv 
der Präfenzkammer; eine „Kleine Bibliothek“, „jett Archiv der Rechnungen neben 
dem Archiv der Präfenzkammer“, endlich Zugang zur Bibliothek. Über die Größe 
und Befchaffenheit aller diefer Räume wiffen wir nichts; was fich heute hier findet, 
ift natürlich auf keine Weife maßgebend. Immerhin fondert fich deutlich der Ober- 
bau der Präfenzkammer mit feinem Giebel ab, durch einen Zwifchenraum von dem 
heutigen ! Dachraum der Nikolauskapelle getrennt. Der Zwifchenraum entfpricht 
etwa dem einftigen Gang zwifchen Kapelle und Kammer (S. 394 und Abb. 104). Aber 
jicherlich haben diefe oberen Teile einft ganz anders ausgefehen. Auch ihr Inneres 
birgt keine Überrefte mehr, die eine fichere Herftellung des alten Zuftandes wenig- 
[tens in der Vorftellung ermöglichen könnten. Dagegen geftatten die Angaben Bour- 
dons die Entftehungszeit diefes oberen Stockwerks über der Nikolauskapelle und der 
Präfenzkammer etwas genauer zu beftimmen. Bourdon führt nämlich auch hier!) mit 
Wappen gefchmückte Schlußfteine an. Deren Inhaber find zwifchen 1426 und 1448 
verftorben. Man darf daraus wohl den Schluß ziehen, daß der Ausbau der genannten 
Obergefchoffe der Einwölbung des Kreuzgangs alsbald folgte: offenbar zog der Neu- 
bau des Kreuzgangs eine Erneuerung der gefamten Stiftsgebäude unmittelbar nach fich. 
Von den Zwecken, denen diefe Räume über der Nikolauskapelle und der Präfenz- 
kammer fowie über dem Weftflügel des Kreuzgangs dienten, war fchon die Rede. 
Ich kann mir nicht denken, daß die von Bourdon angeführten Amtsräume etwa alle 
im Obergefchoß des Kreuzgangs Unterkunft gefunden hätten. Sicherlich lagen einige 
von ihnen im Obergefchoß über der Nikolauskapelle und über der Präfenzkammer. 
Fraglich kann nur fein, ob auch noch die große Dombibliothek in diefen Flügel der 
Stiftsgebäude herübergriff. Es wird davon gleich noch die Rede fein. 
') „In superiori contignatione“ S, 120. 
  
	        
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