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Eigentliche Stiftsgebäude: Kapitelhaus
gegen bemerkt man auch hier Konfolen, und zwar neben den derben gerundeten
wiederum unverkennbar gotifCche; nur tragen fie die Balken der Decke nicht, vielmehr
liegen diefe auf einer ungefähr 50 cm hohen Aufmauerung über den Konfolen auf.
Bei der Breite des Raumes mußten diefe Balken in der Mitte noch einmal unterftütt
werden. So finden wir denn einen Unterzug, der auf zwei Säulen ruht. Das ift
die — offenbar nicht urfprüngliche, fondern roh und ärmlich aus vorhandenen Reften
zufammengefügte — Architektur der Halle. Verfuchen wir, ihr urfprüngliches Aus-
fehen feftzuftellen. Da ift zunächft ficher, daß die Wandvorlagen der Nordfeite auf eine
anfängliche Einwölbung hindeuten. Die abfolute Größe des Raumes macht dabei fo
gut wie ficher, daß die Halle von Anfang an zweifchiffig angelegt gewefen fein muß.
Wir haben alfo eine mittlere Stügenreihe anzunehmen, die der Reihe der Wand-
vorlagen an der Nordwand entfprach und mit diefen zufammen die Gewölbe trug.
Wie kommt es nun aber, daß wir an der Südwand keine Vorlagen finden. Zwei Er-
klärungen find möglich. Entweder ift die Halle einmal von einer Kataftrophe be-
troffen worden, die die Südwand fo [öhwer mitnahm, daß fie größeren Teils erneuert
werden mußte. Dabei hätte man dann auch die ftehengebliebenen Refte von Vor-
lagen z. B. an dem alten Wandftück gegen die Kapitelftube (f. unten A 4 auf un-
ferem Lageplan auf Tafel 77) — vollkommen befeitigt und überpugt. Oder die Ge-
wölbe fußten an der Südfeite der Halle überhaupt nicht auf Wandvorlagen, fondern
nur auf Konfolen. Dafür fpräche, daß fich heute noch gotifche Konfolen vorfinden.
Diefe könnten dann fogar — wenigftens teilweife — noch in situ fein: als man [päter
die Gewölbe befeitigte, legte man über diefe alten Konfolen die Pfette zur Aufnahme
der Balkendecke. Welche der beiden Erklärungen das Richtige trifft, läßt fich ohne ein-
gehende Unterfuchung des ganzen Mauerwerks nicht fagen. Der urfprüngliche Zuftand
ift f£hon im 16. Jahrhundert geändert worden. Warum, wiffen wir nicht.!) Jedenfalls:
eines Tages mußte man fich entfchließen, die Gewölbe zu befeitigen. Man vollbrachte
das ziemlich gewalttätig, indem man auf die angedeutete Weife an beiden Längswänden
Pfetten einzog, hier durch die Wandvorlagen hindurch, dort oberhalb der höchftwahr-
[Cheinlich f&hon vorhandenen Konfolen, und eine flache Balkendecke auflegte, die durch
einen Unterzug in der Mitte unterftügt wurde. Der Raum blieb alfo zweifchiffig; aber
man hat die Zahl der Freiftügen beträchtlich vermindert, Im Zufammenhang damit
gefChah es wohl auch, daß man den öftlichen Teil der Halle abtrennte (den Raum A 3
unferes Planes): die heutige Zwifchenwand ftößt nämlich nicht gegen eine der alten
Wandvorlagen, fondern fchließt willkürlich zwifchen zwei Vorlagen an. Das kann
nicht urfprünglich fein. Entweder umfafte das alte Kapitelhaus den ganzen Raum
(A 2 und A 3 auf unferem Plan) = 12 Joche; oder es war an einer anderen Stelle
und dann ficher auf der Scheide zweier Joche — eine Querwand gezogen.
Wann ift nun diefe gewaltfame Veränderung der Saaldecke bewerkftelligt worden ?
Die Antwort geben die Refte einer dekorativen Malerei, die einft die Konfolen um-
zog, fie alfo vorausfett, und geben vor allem die kräftigeren unter den Konfolen
felber: ihre Stirnflächen find an der Rundung mit Akanthuslaub in flachem Relief
ge[Chmückt, und diefes Laub hat durchaus den Charakter des Kleinmeifterblattwerks,
!) Vielleicht darf man in diefem Zufammenhang aufein Protokoll des Domkapitels vom
19. Februar 1521 hinweifen. Da heißt es: „Haben mein gnädige Herren des Kapitels be-
floffen, etlich perfonen zu elegiren und zu deputiren, die gewelb Ihrer Gnaden zu refor-
miren.“ Bedeutet der Ausdruck „die gewelb Ihrer Gnaden“ fo viel, wie die fonft übliche
Bezeichnung domus capitularis, dann ift das unfere Halle, und dann könnten: wir den
Schluß wagen, daß deren Gewölbe fchon um diefe Zeit Bedenken erregte. Die gründliche
Abhilfe erfolgte allerdings, wie wir gleich fehen werden, erft [päter.