Full text: Kreis Büdingen ([C, 1])

   
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BÜDINGEN MIT GRÖSSENDORF 97 
Daher auch der Name »Carlespfordte«, unter dem sie in der Stadtrechnung von 1612 wirklich 
aufgeführt ist und der, da er sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, offenbar viel volkstümlicher 
war, als die umständlichen Bezeichnungen »Pforte am Schwan«, oder »Pfortenturm neben dem 
Schwan«, unter denen dieselben in den Akten des 16. Jahrhunderts sonst vorkommen. 
Die Karlspforte war gleich den übrigen Pforten von viereckiger Grundform, 
allein von schlichterer Gestalt als diese. Den obersten, hölzernen Stock, der 
vermutlich nicht von Anfang an, sondern erst in spätmittelalterlicher Zeit aufgebaut 
wurde, bedeckte ein einfaches, spitzes Walmdach, auf dessen First als Dachreiter 
ein kleines Glockentürmchen aufgesetzt war. 
Darin waren die vom Stadtknecht zu läutende »win und wechtersglocke« (1535) auch die 
»Burgerglocke«*) aufgehängt, welche die Bürger auf’s Rathaus zusammenrief. Letztere, wie auch 
»das kleine Glöcklein bei dem Schwan vff der Pforten« sind in den Stadtrechnungen öfters erwähnt. 
Die S. ı 12 beschriebenen alten Stadt-Glocken befanden sich auf diesem Turm, 
‚an dem .auch die »Stadt-Auer« (Stadtuhr) angebracht war. 
Dieser nördlichen Altstadtmauer war längs des Küchenbaches noch ein Damm 
vorgelegt, der sich weiterhin mit dem Schlossdamm vereinigte. Zwischen dem Fuss 
der Ringmauer und dem Damm ging, ähnlich wie an der Südseite, einst der »daran 
gelegene Stadt- oder Wassergraben«, **) der 1604 erwähnt wird; ferner ist 1602 
auch, von »der Mauern an dem Damm« die Rede, die sich längs des Baches 
hinzog. 
Es ist anzunehmen, dass mit der in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts 
allmälig erfolgten Erbauung der Neustadt, wenigstens seit 1390, nachdem dieser 
die gleichen Freiheiten wie der Altstadt gewährt worden waren, die Befestigung 
der Neustadt begonnen wurde (S. 30). Diese scheint sich erossenteils um einen 
dreieckigen Platz »auf dem Sand«, bei dem Brunnen, in den das Bergwasser nieder- 
strömte ***), erstreckt zu haben und ist nach Norden in den Bergabhang hineingebaut. 
Vom Eckturm XII der Altstadt wurde die Ringmauer in der vorherigen 
Richtung fortgeführt bis zum Bach, an dessen Südseite sie ein Stück abwärts geführt 
ist, um mittels einer Bogenöffnung darüber weg, sodann weiter nordwestlich und 
bergan bis zu dem Eckturm III zu gehen. 
Der Lauf’der Mauer ist unterbrochen durch die ehemalige Unterpforte. 
Diese wird häufig, u. A. in einer Urkunde von 1465 genannt, deren Gegenstand »der Creutz- 
garten by der Vnderpforten«, oder »der Garten fur der pforten, als man zu der Pfarr hinaben 
gehen will« ist, welchen Graf Ludwig »Caspar Reyprechten, seinem Amptmann zu Budingen 
u. Ss. w.« schenkt. 
Ein noch vorhandenes Stück der Unterpforte bezeichnet die einstige 'Thor- 
öffnung, und die aus den Gewändquadern ausgehauene, 16 cm tiefe und I6 cm 
breite Nut bekundet, dass auch diese Pforte gleich der Mühlpforte mit einem 
Fallgatter verschlossen zu sein pflegte. Der viereckige Turm war im obersten 
Stock aus Holzfachwerk und hatte einen steilen, an den Ecken mit hohen Kaupen 
versehenen Dachhelm (Fig. 8, S. 27), 
Vom Eckturm III, der ursprünglich vielleicht niedriger war als jetzt, folgt 
der Mauerzug dem Weg am Gebück, einem aus dichtem Baum- und Strauchwuchs 
*) Otte, Glockenkunde, S, 39 über »Wein oder Trinkerglocke<, S, 49 u. 50 über »Bürgerglocke«, 
*%*) Bestätigt durch die behufs Einführung der Wasserleitung 1888 gemachten Grabungen. 
**%) Haupt, Abriss einer Baugesch. d. Stadt Büdingen, S, 6. 
  
   
   
  
  
  
   
  
        
   
  
   
   
   
  
  
  
   
   
  
  
   
   
    
     
    
     
   
   
  
       
  
   
  
  
  
  
     
  
    
  
  
      
      
  
  
  
   
   
      
Neustadt — 
Ringmauer 
Innere 
Unterpforte 
 
	        
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