KREIS BÜDINGEN
Schloss WELTLICHE BAUTEN. Das Ortenberger Schloss, welches unverkennbar
eine sehr beträchtliche Ausdehnung hatte, bestand aus einer Anzahl teils steinerner,
teils hölzerner Gebäude, von denen indes nur ein Haupthaus, und zwar in der
Umgestaltung des 18. und 19. Jahrhunderts, als Schloss der Grafen von Stolberg-
Rossla, besteht. Durch den etwas nordwestlich von der Pfarrkirche errichteten
Thorbau (Plan S. 233) gelangt man auf den allmählig ansteigenden Fahrweg und
| durch schöne Anlagen auf die Höhe des Berges, auf dessen oberster Ebenung das
| Schloss (2) in Form eines im stumpfen Winkel gebrochenen Langbaues sich erstreckt.
| Die Fig. 127 giebt ein Bild eines Teils desselben mit dem am südlichen Eck
angebauten Turme, dessen Steinwerk grossenteils noch aus gotischer Zeit herrührt.
Die Dachhauben gehören dem Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts
Mn an. An diesem Langbau finden sich hier und dort noch Überreste des ursprüng-
| lichen Schlosses; namentlich an den auf hohen Stützmauern emporragenden Bau-
teilen der Nord- und Nordostseiten, deren Unterbau Spuren von Rundbogen zeigt
und aus grossen Buckelquadern besteht. Solche sind auch an den Stützmauern
der Freitreppe verwendet, welche zur Schlossterrasse führt: und auf diesen
offenbar aus spätromanischer Zeit stammenden Buckel-
quadern sind jene grossen Steinmetzzeichen, von den
einfachen Formen des Kreises, Kreuzes u. s. w.,
weiche vielfach auch an anderen romanischen Bauten
(z. B. Büdingen, S. 55) vorkommen, angebracht. Das
gewölbte Untergeschoss und die Keller des Schlosses
mögen zum Teil auch noch alt sein. An der süd-
lichen Mauer ist ein in Stein gehauenes, groteskes
Brustbild eines Mannes eingemauert, der sich mit der
Linken am Bart zerrt und mit der Rechten eine
Kugel hält.
| Einen Begriff von der ehemaligen Schlossanlage geben die alten Ansichten
Ortenbergs von 1638 und 1646.*) In ersterer sind am Hauptgebäude zwei Reihen
von Rundbogenfenstern über einander wahrnehmbar. In der Abbildung von 1646,
| | welche die Fig. 130 S. 250 wiedergiebt, ist das Schloss mit einem Fachwerk-Dachstock
und mit gezimmerten Türmchen versehen, und unter den niedereren Burggebäuden
| sind 3 oder 4 steinerne Rundtürmchen zu unterscheiden. Zur Erklärung der
| Gesamtanlage tragen einige Angaben aus archivalischen Quellen bei.**) Daraus
| | erhellt, dass das Schloss oder »Haus Örtenberg« aus der mit Ringmauern um-
| N
gebenen inneren Burg und der äusseren Burg bestand, die auch rings umschlossen
| war von der Zwingermauer und bewehrt durch oberhalb angereihte Steinbollwerke,
| ' auch versehen mit Graben und »gebücktem Hain«. Diese erstreckten sich bis an
N j die Stadtbefestigung. Ein »gemein Weg« führte durch die äussere Pforte. Mittel-
y
pforte, und innere Pforte zum innern Schloss. Letzteres umfasste um 1460 (ähnlich
wie 1358), die alte steinerne Kemnat »mit dem jetzigen Saal«, gegenüber die
*) Meissner, Sciogr. Cosm. A. ı5 u, Merian Topogr. Hass, S. 66, Eine neuere Ansicht in: Das Grossh.
Hessen in maler. Orig. Ans, II, S. 129.
*%) Urk,v. 1358, 1359, 1389 (S. 233) 1460 (S. 234) und eine Bezirksbeschreibung Ortenbergs von 1541, veröffentlicht
| im Arch. f. Hess. Gesch. Neue Folge I.