FRIEDBERG 81
Die beiden Westthürme sind für die Raumdisposition der Kirche nicht in
Betracht gezogen worden. Sie waren ursprünglich nur von dem Innern der Kirche
aus durch die erwähnten an ihrer Ostseite gelegenen Treppenthürmchen zugänglich;
ein äusseres Pförtchen des nördlichen Treppenthurmes ist nach der in den Sturz
eingehauenen Jahreszahl erst 1648 angelegt worden. In ihrem unteren Stockwerk
bilden die 'Thürme spitzbogige Hallen mit Kreuzgewölben, die als Durchgang und,
nach den steinernen Bänken zu schliessen, auch als Gerichtsstätte gedient haben.
In der Halle des nördlichen Thurmes sind noch die Endpunkte dreier Längen-
maasse aus Eisen angegeben. Das obere Maass neben der gothischen Minuskel &
(Solms) ist 3,505 m, das mittlere neben der Minuskel f (Friedberg) 3,53 m und
das unterste neben der Minuskel m (Ockstadt) 3,355 m lang. Die Kreuzgewölbe
der Thurmhallen haben kräftige gekehlte Rippen und grosse kranzförmige verzierte
Schlusssteine. Ausser diesem unteren Stockwerke hat der nördliche Thurm zu-
nächst noch zwei obere von gleicher Stärke, die durch Wasserschlagprofile von
einander gesondert sind, und zwei schmalere in gleicher Weise geschiedene obere
Stockwerke. Ueber dem unteren Theile ist der Laufgang angebracht, der vor der
Mittelschiffmauer von dem einen Thurm zum andern führt. Die Construction der
Thürme ist eine ausserordentlich kräftige; die starken Strebepfeiler, die zu zweien
an den Ecken angeordnet sind, und der Mangel an grösseren Lichtöffnungen lassen
im Verein mit den soeben erwähnten Eigenthümlichkeiten allerdings den Eindruck
aufkommen, dass sie weniger wegen der Kirche als wegen der Wehrfähigkeit der
Stadt in dieser Gestalt errichtet werden sollten.) Der Befeh! des Kaisers Ruprecht
zur Sistirung des Baues mag daher mit vollem Rechte ergangen sein. Dass er
befolgt worden ist, beweist noch der heutige Zustand der Thürme: die Glocken-
stube des nördlichen Thurmes, der eine gewölbte Kammer in sich birgt, ist aus
Holz; über ihr steigt die Thurmpyramide empor; beide sind mit Schiefer be-
kleidet; der südliche Thurm aber ist über 1'/a Stockwerke nicht hinausgediehen und
gereicht der Kirche in seiner Stumpfheit und mit seinem Nothdach keineswegs zur Zierde.
Mit der Betrachtung der Thürme sind wir bereits an das Aeussere der Kirche
herangetreten. Zunächst haben wir die Portale zu erwähnen. Das Hauptportal (Fig. 40)
liegt an der Westseite in der Mittelschiffmauer, vor welcher links und rechts die
Thürme vorspringen. Es ist spitzbogig, hat mit Kehlen, Birnstab und Wülsten
profilirte Wandungen, in einer Hohlkehle spätgothisches Ranken- und Laubwerk
und vier mit Laubwerk verzierte Consolen, deren Aufsätze fehlen. Ueber diesem
Portal ist ein hohes, breites, spitzbogiges Maasswerkfenster angebracht, auf dessen
Bank ein Postament die Schutzpatronin der Kirche, eine steinerne Madonna mit
dem Kinde, trägt. So kommt trotz der tiefen Nische zwischen den beiden Thürmen
das Mittelschiff dennoch in vollem Maasse zur Geltung. Uebrigens scheint die
Wandung des Spitzbogens bei diesem Portal später neu eingesetzt worden zu sein.
Das Langhaus hat ausserdem noch zwei andere Portale mit profilirten Wandungen,
von denen das eine in der Nord-, das andere in der Südmauer angebracht ist.
ı) Ursprünglich scheinen zwei Thürme über dem westlichsten Joch des Langhauses, über der heutigen Orgel-
tribüne, geplant gewesen zu sein, wie die grössere Stärke der westlichsten Langhauspfeiler vermuthen lässt,
en a
Die Thürme
Das Aeussere
Portale