16 KREIS FRIEDBERG
die Grösse wie die Schwäche seiner Kunst in charakteristischer Weise zur Schau
trägt. Der in sich zusammengesunkene, sitzend dargestellte Leichnam Christi wird
hinten von Nikodemus festgehalten, während zu seiner Rechten Maria, zu seiner
Linken Johannes seine Hände ergriffen haben, zwei Gestalten, deren Antlitz mit
dem wunderbar ruhigen, erhabenen Schmerzensausdruck die Autorschaft Peruginos
ausser allen Zweifel setzen würde, auch wenn die ganze Darstellungsweise und die
weiche, unmuskulöse Behandlung der Beine nicht auch noch eine Bestätigung der-
selben wäre. Uebrigens lassen die historischen Nachrichten über die Echtheit
keinen Zweifel autkommen. Der italienische Schriftsteller Vasari berichtet: !)
»Pietro (Perugino) erhielt Auftrag, über der Treppe zur Seitenthüre von S. Pietro
maggiore einen todten Christus, St. Johannes und die Madonna zu malen, und
vollführte diese Arbeit in solcher Weise, dass sie, obgleich Wind und Regen aus-
gesetzt, sich doch so frisch erhalten hat, als wäre sie erst jetzt vollendet.« »Bei
der Abtragung der Kirche S. Pietro, die im Jahre 1784 mit dem Einsturze drohtee,
so besagt eine Anmerkung des Herausgebers, »liess der Senator Albizzi das genannte
Freskobild in eine Kapelle des 2. Stocks seines Palastes am Borgo degli Albizzi
versetzen, wo es noch heute zu sehen ist.« Von dort hat der jetzige Besitzer,
Herr Graf Oriola, das Bild nach Oberhessen in sein Schloss verpflanzt. ?)
Die übrigen plastischen und malerischen Bildwerke des Schlosses aus alter
und neuer Zeit, aus Italien, Deutschland und den Niederlanden, die von den
Besitzern des Schlosses mit ebensoviel Kunstkenntniss gesammelt, wie mit Geschmack
in den Räumen des Schlosses vertheilt sind, auch nur aufzuzählen, würde unsern
Zweck überschreiten. Wir gestatten uns nur noch aus der grossen Zahl kunsthand-
werklicher Gegenstände aller Art ein Muster- und Meisterstück mitzutheilen, einen
mit dem Zierrath der Renaissance auf’s reichste ausgestatteten Schrank aus FEichen-
holz (Fig. 7), der auf einem Zettel auf der Innenseite einer Thüre die Aufschrift
trägt: »Kaspar Klein Meisterstück gemacht Januar 077€,
ı) Vasari, Vite de’ piu’ eccellenti pittori etc. Bd. VI. Milano 1809. S. 289. Vasari, Leben der ausgezeich-
netsten Maler etc. Uebersetzung. Stuttgart u. Tübingen 1839. Bd. II. 2, S. 368.
2) Vgl. auch Crowe u. Cavalcaselle, Gesch, der ital. Malerei. Bd. IV. Leipzig 1871. S. 261. Note 180. Da
die uns zu Gebote stehenden photographischen Hilfsmittel ein genügendes Ergebniss der Aufnahmeversuche nicht boten,
so müssen wir hier von einer bildlichen Wiedergabe absehen und die eingehendere Würdigung einem anderen Orte
vorbehalten.