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Die politische
64 KREIS FRIEDBERG
und grösserer Stetigkeit geleiteten Politik der Burggrafen erliegt. Als Ausdruck der
Selbständigkeit der beiden Körperschaften und ihres im Laufe der Zeit sich ver-
schärfenden gegensätzlichen Verhältnisses zu einander, haben sich bis zur Stunde
Reste ihrer gegen einander gerichteien Wehranlagen erhalten.
Dass die Burg schon bei ihrem ersten geschichtlichen Auftreten eine gewisse Machtstellung
Entwickelung von Jegass, lehrt die Urkunde von 1217 und eine andere von 1219, in welcher Kaiser Friedrich den
Burg und Stadt
Burggrafen und Reichsministerialen zu Friedberg den Schutz des Klosters Arnsburg überträgt.!)
Dass um dieselbe Zeit die Freiheit und Selbständigkeit der Stadt hingegen noch sehr gering gewesen
sein müssen, beweist ein Privileg König Heinrich’s, des Sohnes Friedrich’s II., in welchem er den
Schultheisen und der gesammten Bürgerschaft von Frankfurt, Wetzlar, Friedberg und Gelnhausen
— den vier Wetterauer Städten — die Freiheit verleiht, dass er nie Einen der Ihrigen zwingen
werde, seine Tochter oder Enkelin einem seiner Hofleute zur gesetzlichen Gattin zu geben. Eine
ähnliche Urkunde ist von dem König Konrad aus dem Jahre 1240 vorhanden.?) Dass aber von
da an die Stadt bemüht ist, an Macht und Selbständigkeit zu gewinnen, beweisen ausser den
Städtebündnissen, denen sie sich anschloss,?) das Versprechen des Königs Richard (1257), dass der
Kaiser innerhalb der Stadt keine Befestigung oder Burg errichte, und ihre Befehdung der Burg
Friedberg, die damit endete, dass die Burg nicht lange vor 1276 von den Städten eingenommen
und zerstört wurde.) Obgleich der König Rudolf den Bürgern für diese That Verzeihung gewährte,
1278 den »fürsichtigen Männern«, Schultheisen, Rathleuten und Bürgern gemeinlich zu Frankfurt,
Gelnhausen, Wetzlar und Friedberg alle bisher besessenen Gnaden, Freiheiten und Rechte bestätigt
und 1285 zu Mainz zwischen Burg und Stadt eine Ordination, Eintracht und Sicherung des Inhalts
zu Stande bringt, dass weder die Bürger der Stadt die Burg, noch die Burgmannen die Stadt je
zerstören, noch denen, die solches beginnen, Beistand leisten sollen,?) so war es doch offenbar, dass
er gleich seinen Vorgängern und Nachfolgern der Burg aus naheliegenden Gründen mehr zugethan war
als der Stadt; denn wenn schon König Wilhelm von Holland 1252 dieses dadurch bewiesen hatte,
dass er die Castrensen der Burg Friedberg von der Heersteuer und von der Theilnahme am
Heereszuge über die Alpen befreite, wenn sie es nicht aus freiem Willen thäten,®) so brachte König
Rudolf die Stadt dadurch in ein bestimmtes Verhältniss zur Burg, dass er 1285 das halbe » Ungelt«
der Stadt, eine Abgabe von Wein, an die Burg zur Verwendung für die Gebäude, überwies.”) Die
Selbständigkeit der Burg aber erhöhte er in demselben Jahre dadurch, dass er den Burgmannen
das Versprechen gab, ohne ihre vorherige Einwilligung ihnen keinen Freien ober Herren als Castellan
künftig geben zu wollen,8) und 1287 durch das Privileg, dass sie vor keinem Richter als dem
Burggrafen, das kgl. Hofgericht ausgenommen, belangt werden könnten.)
Obgleich auch die Stadt von Kaiser Rudolf und seinen Nachfolgern mit verschiedenen
Privilegien bedacht wurde, so standen diese doch in keinem Verhältnisse zu den Rechten, welche
die Burg sich nach und nach zu erringen wusste, und jenes Abhängigkeitsverhältniss der Stadt
wurde innerhalb weniger Jahrzehnte ein immer engeres. Es fand zunächst seinen Ausdruck in dem
Söhnbriefe des Kaisers Albrecht im Jahre 1306,10) welcher neben andern die Rechte der Stadt
beschränkenden Bestimmungen auch die enthielt, dass der Burggraf in der Stadt einen Schultheisen
mit Rath der Schöffen und der 6 von den Bürgern zu wählenden Burgmannen setzen solle. Dieser
zweite Söhnbrief wurde hierdurch erst recht zu einem Fehdebriefe. Die Streitigkeiten zwischen
Burg und Stadt dauerten fort und erreichten eine solche Höhe, dass 1331 der Kaiser von Nürnberg
aus einen Interimsfrieden diktirte,1!) der bis 1332, bis zum Erscheinen eines neuen Söhnbriefes durch
ı) Dieffenbach a. a. ©. S. 25. R. Kolb, Aquila certans. Doc. Nr. 4. Wie D. mittheilt, erhielt für diesen
Schutz der Burggraf bis in die neuere Zeit alljährlich von dem Kloster ein Paar Stiefel und ein Stück graues Tuch.
2) Dieffenbach a. a. O. S. 27 u. S. 337.
3) ı254 dem Rheinischen, 1265 dem Wetterauischen, 1273 dem der Städte Mainz, Worms etc.
4) In einem königl. Schreiben von Mainz am 3. April 1276 verzeiht Rudolf von Habsburg die Zerstörung der
Burg und erlässt ihnen wegen ihrer Reue die verdiente Strafe. Dieffenbach a. a. O. S. 35.
5) Es ist dieses der sog. Söhnbrief zwischen Burg und Stadt. Vgl. Dieffenbach a. a. ©. S. 38 und Gründl.
Ber. Doc. 2. 6) Dieffenbach a. a. O. S. 29. 7) Information und Deduction etc. Beil. Nr. 7.
8) Mader, Sichere Nachrichten von der Kays. Reichsburg. Friedberg I. S. 59.
9) Inf. u. Ded, etc. Beil. Nr. 8. ıo) Gründl. Bericht etc. Doc. Nr. ı2, ıı) Rothes Buch Nr. 42.