der Burg
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Die Verfassung
66 KREIS FRIEDBERG
Rechtsdingen durch die Schuld der Burg die städtische Ordnung gefährdete, so liess man durch den
Rechtsgelehrten Göddäus eine Schrift entwerfen, welche die alten Rechte der Stadt urkundlich
nachwies. Diese Schrift!) hatte den erwünschten Erfolg nicht, und erst ein Interimsvergleich von
1618 machte der Verwirrung der inneren Verhältnisse ein vorläufiges Ende. Weitere Streitigkeiten,
welche durch unerhörte Forderungen der Burg an die Stadt hervorgerufen wurden, beglichen sich
durch einen von einer kaiserlichen Kommission zu Stande gebrachten Vergleich des Jahres 1656,
wobei die Stadt die sogenannte Paritionserklärung abgab.?2) Beide Corporationen, Stadt und Burg,
hatten sich längst überlebt, als endlich ihre Einverleibung in Hessen-Darmstadt im Jahre 1806 nach
»provisorischem Civilbesitz der Stadt« und vorübergehender Besetzung der Burg durch jenes allen
Streitigkeiten ein Ende machte. Der letzte Burggraf Graf Clem. Aug. Wilh. von Westphal, der
seit 1805 dieses Amt inne hatte, war auch derjenige, dem die Stadt nicht mehr huldigte.
Wie die unaufhörlichen Kämpfe der Burg mit der Stadt das zähe Festhalten
der ersteren an der Idee einer nothwendigen Machterweiterung auf Kosten dieser
darthun, so beweisen die kaiserlichen Privilegien, weiche sie sich trotz ihrer Be-
stimmung als einer kaiserlichen Burg im Laufe der Zeit zu gewinnen wusste, das
Streben nach möglichst grosser Unabhängigkeit und Vergrösserung der Macht-
befugniss.
Das dem Abhängigkeitsverhältniss von dem kaiserlichen Herrn wenig entsprechende Privileg
Wilhelms von Holland für die Castrensen der Burg haben wir schön erwähnt, ebenso das für die
Freiheit und Geschlossenheit der Burginsassen wichtige Versprechen des Königs Rudolf von 1285
und das Privileg über den Gerichtsstand der Burgmannen vom Jahre 1287. Nicht minder wichtig
für die Körperschaft der Burggenossen war die kaiserliche Verordnung von 1276, dass in Fried-
berg nie ein Burggraf erblich sein und nie Einer eines solchen Erbrechts sich anmassen solle.
All diese Privilegien wurden 1292 von Adolf von Nassau bestätigt. Wie sehr die Burginsassen
darauf bedacht waren, die gemeinsame Macht zu erhalten und Sondergelüste nach dieser Richtung
nicht aufkommen zu lassen, beweist der kaiserliche Befehl von 1292, wonach kein Burgmann in
der Nähe der Burg eine andere Burg oder Befestigung errichten durfte.3)
Der Grund zur Machtentfaltung der Burg und ihrer Dauer wurde durch die
Verfassung gelegt, welche in dem von Ludwig dem Bayern 1337 ausgestellten »Burg-
frieden« schriftlich niedergelegt und 1349 von KarlIV. erneuert und erweitert wurde.*)
Diese Verfassung regelt das Verhältniss der Burgmannen zu einander und zu
Auswärtigen, die Pflichten gegenüber der Burg, das Recht der Burgmannen zur
Wahl eines Burggrafen, ihre Rechte in den vier wetterauischen Städten und andere
weniger wichtige Verhältnisse. Wie im deutschen Reich der Kaiser durch die
Fürsten, so wurde in der kleinen Burg Friedberg der regierende Burggraf durch die
Burgmannen gewählt; der Kaiser hatte bloss das Bestätigungsrecht. Nach dieser
Verfassung bildeten die Burginsassen eine geschlossene mit Pflichten und Rechten
ausgestattete Körperschaft, deren Machtentfaltung um so gesicherter war, je zäher
sie gegenüber der in stets unruhig wogender Entwicklung befindlichen Stadt Friedberg
an derselben festzuhalten im Stande war. Dass man sich jedoch nicht scheute,
sie zu verbessern und weiter auszubauen, wenn Zeit und Umstände es erforderten,
beweist neben andern kaiserlichen Verordnungen, deren die Burg sich zu versichern
wusste, die General- Confirmation ihrer Privilegien durch Kaiser Friedrich vom
Jahre 1467, worin die Bestimmung getroffen war, dass künftig für ewige Zeiten ein
besonderes Burggericht sein und mit 12 »ehrbaren vernünftigen Männern, die dazu
ı) Gründl. Bericht des Heyligen Reichs Statt Friedberg Standt etc. MDCX.
2) Gründl. Inf. etc. S. 36. 3) Inf. u. Ded. Beil. Nr. r. 4) Dieffenbach a. a. O. S. 97 etc.