Full text: Kloster Arnsburg mit Altenburg ([C, 3], Band 2)

   
  
  
  
86 Kloster Arnsburg. Die Kirche. Wechsel im Stil — Bauunterbrechung. 
immer noch geschichtetes Mauerwerk, bei dem aber das Auszwicken mit 
kleineren Steinen überhand nimmt. Die Technik nähert sich bereits dem goti- 
schen Bruchsteinmauerwerk. 
11. Auch das Baumaterial ist etwas anders, ein rötlicher Lungstein tritt 
jetzt häufiger auf. 
Alle diese Änderungen sind im :Grunde technischer, nicht formaler Art. 
Auch die Einführung des Spitzbogens in den Arkaden entsprang dem 
Bestreben, ohne Stelzung die gleiche Scheitelhöhe zu erreichen wie bei den 
gestelzten Rundbögen der vier ersten Öffnungen. Ferner ist der Ersatz der 
Kreisfenster durch Rundbogenfenster im südlichen Seitenschiff auf die 
bessere Lichtzufuhr und auf die Zweckmäßigkeit der wagrechten Sohlbänke 
zurückzuführen, die zugleich Teile des Gesimses über dem Kreuzgangdach 
sind. Nur bei den Türen ist die Einführung des Spitzbogens durch die Vorliebe 
für die neue Form veranlaßt. 
Es ist aber bemerkenswert, daß bei den Fenstern — wir dürfen das auch für 
die nicht mehr erhaltenen Fenster der Hochschiffmauern annehmen — der 
Rundbogen durch das ganze Langhaus angewandt wurde. Man war also 
darauf bedacht gewesen, zugunsten der einheitlichen Wirkung in den wesent- 
lichen Bauteilen die älteren Stilformen der Ostteile beizubehalten. Auch in 
der Reihenfolge der Kapitelle ist ein stilistischer Fortschritt in formaler Hin- 
sicht innerhalb des Langhauses nicht zu erkennen ‚etwa so, wie er zwischen denen 
des Chores und denen der übrigen Kirche ganz augenscheinlich zutage tritt. 
Nur zeigt sich im westlichen Teil an .den Kapitellen des Mittelschiffs eine 
Einheitlichkeit der Form, die, wie wir gesehen haben, veranlaßt wurde durch 
das Herumführen des Kapitellprofils um die ganze Pfeilervorlage, was wieder- 
um durch das Fortfallen der Eekdienste bedingt war. Und mit der Verein- 
heitlichung der Form verbindet sich ein vollständigerVerzicht auf Schmuck 
an diesen Kapitellen. 
Der Fortschritt zur Gotik geht also Hand in Hand mit einer Vereinfachung 
der Form. Nirgends zeigt sich das deutlicher als in den Pfeilern: Im Chor 
ein Pfeilergrundriß von reichster Gliederung, wie sie durch die Rückwirkung 
des Kreuzrippengewölbes logisch gefordert wird; die westlichen Vierungs- 
pfeiler zeigen am Fuß nach dem Mittelschiff zu ein Aufgaben der Gliederung, 
die Vorlage beginnt erst über der halben Höhe des Pfeilers, der Eckdienst 
wird vollständig bis über den Kämpfer hinaufgeschoben; ebenso ist es am 
dritten Pfeilerpaar; und am fünften und siebenten Paar ist außer der Halb- 
säule im Seitenschiff gar keine Gliederung mehr am Pfeiler vorhanden. Die 
Halbsäule, die den Gurtbogen des Mittelschiffes trägt, ist auf einen kümmer- 
lichen Stumpf, mehr Konsole als Säule, zusammengeschrumpft. Die Beziehung 
zwischen Gewölbe und Pfeiler ist vollständig gelöst — geradezu eine Ver- 
neinung des Geistes der Gotik bei dem Orden, der das Meiste zu ihrer Ver- 
breitung beigetragen hat. Der Pfeiler ist hier in den rund 50 J ahren, die in 
Deutschland den gewaltigsten Fortschritt in der kirchlichen Baukunst bringen, 
    
   
   
  
  
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
	        
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