Hungen Si
Christoph von Ilmenau im Jahre 1563 als Privathaus erbaut und erst später als
Rathaus benutzt worden. Derselbe Baumeister hatte in dem gleichen Jahr das
Raabsche Haus in dem benachbarten Langsdorf gebaut und mit einer gleichlauten-
den Inschrift versehen. Vermutlich waren auch die beiden Häuser einander ähnlich.
Graf Philipp, der im Jahre 1581 in Schlosse zu Hungem starb, hatte in seinen
wetterauischen Landesteilen die Leibeigenschaft aufgehoben. Im Hungenschen
feierte man noch bis in die Neuzeit hinein am 13. August, dem Tage der Heiligen
Hippolytus und Wigbert, die Erinnerung an dieses frohe Ereignis!).
Reicheres und bunteres Leben kam mit der Errichtung der selbständigen
Grafschaft Hungen in das Städtchen. Namentlich die lebhafte Bautätigkeit, die Graf
Otto d. J. sofort begann, brachte Arbeit und Verdienst und fremde Leute herein.
Graf Otto ließ nicht nur das Schloß, an dem schon um 1570 seine Vorfahren Philipp
und Konrad gebaut hatten, völlig neu gestalten, sondern betrieb auch eifrig den Aus-
bau der Kirche, von der schon sein Vater nicht wollte, daß sie ‚„‚wie ein Sewstall
gehaltten werde‘). Über die Baupflicht entwickelte sich zwischen der Gemeinde
Hungen und dem Marienstift in Lich, dem das Patronat zustand, ein langwieriger
Streit, der mit dem Übergang des Patronats an die Landesherrschaft endigte, die wahr-
scheinlich auch den nicht anderweit aufgebrachten Teil der Baukosten übernahm).
Graf Otto erlebte die Beendigung der von ihm unternommenen Bauten nicht,
aber sein Nachfolger Reinhard setzte sie fort. Die Bautätigkeit am Schloß mag
1616 im großen und ganzen beendigt gewesen sein. Die Akten melden dann nur
noch einmal am Ende des Jahrhunderts von der inneren Einrichtung. Der Kirchen-
bau wird früher fertig gewesen sein, denn am 25. November 1610 wird die Arbeit
an der Kirchhofsmauer vergeben®). Graf Reinhard ließ auch den Wall um die Stadt
anlegen?). Sein Sohn Mcritz errichtete 1651 den Münzbau 2),
Mitten in die Tage der selbständigen Grafschaft fällt Deutschlands schlimmste
Zeit, der Dreißigjährige Krieg, in dem, wie bekannt, die Wetterau so Schweres
zu erdulden hatte. So wurde auch die Glanzperiode Hungens getrübt durch die
Schrecken des Krieges und der Pest. Besonders schlimm waren die Jahre 1634 und
1635, in denen Hungen die schutzsuchenden Bewohner von Villingen, Langd, Trais-
Horloff, Utphe, Obbornhofen, Bellersheim und Bettenhausen aufnehmen mußte”).
Diekirchlichen Verhältnisse haben wirseither nurgelegentlich gestreift. Wir
haben gehört, daß Karl d.Gr. dem Kloster Hersfeld die erste Schenkung in Hungen
gemacht hat, und daß dabei möglicherweise eine Kapelle gewesen ist. Die erste
sichere Nachricht von dem Vorhandensein eines Gottesdienstes ist vierhundert
ı) R. Graf Solms, a.a. ©. S.52. — Hier liegt vielleicht eine hersfeldische Reminiscenz zu Grunde,
da Wigbert Patron des Stiftes war.
°) 1591 Jan. 15 Graf Konrad an seinen Schultheis Konrad Hermanni in Hungen. In der Kirche
lagen noch die Reste der weggerissenen Altäre. Archiv Braunfels.
®) Akten in Braunfels. Die Akten schließen mit der Abtretung der Forderung, die die Gemeinde gegen
das Stift erhoben hatte, an den Landesherrn. Über den weiteren Verlauf ist nichts bekannt.
*) Amtsbuch 1610/11 Fol. 35. Arch. Braunf.
>) R. Graf Solms 3a.2.0.8.77.
°)A,2A2. 0.78
’) Gervinus, Wetterfelder Chronik passim, besonders in den Erläuterungen von Matthaei S. 225.
Auf Grund der Städt. Archivalien hat Wilh. Kellner in den Wetterauer Nachrichten 1882 Nr. 83ff.
ausführliche Mitteilungen über Hungen im Dreißigjährigen Krieg gemacht.
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