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residierte in der Burg. Sein Stiefsohn Otto von Ziegenhain, der Sohn seiner zweiten
Gemahlin Mechtild von Hessen, verwitweten Gräfin von Ziegenhain, nachmals
Kanonikus in Mainz und zuletzt Propst des Stiftes Fritzlar (T 1364), war bis
gegen 1316 Pfarrer der Kirche in Lich. In diesem Jahre errichtete Philipp bei der
Pfarrkirche ein Kollegiatstift, das für die kirchlichen Verhältnisse des Amtes Lich
in der Folge von besonderer Bedeutung wurde und dem Städtchen selbst regeres
Leben brachte. Überhaupt hoben sich unter der Herrschaft dieses Falkensteini-
schen Astes alle Verhältnisse. Im Jahre 1320 war die Marien-Stiftskirche geweiht
worden; im Schloß hatte die Herrschaft fast ständig ihren Wohnsitz!); Burg-
mannenfamilien siedelten sich an und verliehen den Gassen ein höfisches Aussehen.
Auf dem Markt stand der Arnsburger Klosterhof neben dem zugleich als Herberge
eingerichteten Kaufhaus, einer Markthalle, in der einheimische und auswärtige
Grewerbtreibende ihre Waren feilhielten. In der Bürgerschaft gewann das Hand-
werk Einfluß und Ansehen; es erscheint häufig in den Zeugenreihen der Urkunden
und im Rate der Schöffen. In einer Urkunde von 1315 finden sich zwei Metzger,
in einer anderen von 1318 ein Zimmermann und ein Steinhauer, die beim Bau
der Stiftskirche Beschäftigung gefunden haben mögen. Bäcker, Schneider, Stein-
decker und Müller werden um die gleiche Zeit genannt; wenig später ein Brauer und
sogar eine Frau als Gewerbtreibende, eine Händlerin (institrix)2). Endlich entstanden
starke Befestigungen, die den Ort zu einem Hauptstützpunkt Falkensteinischer
Macht in den heftigen Fehden der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gestalteten.
Philipps III. Enkel, der wilde Philipp VI., hielt mit seinen Händeln Jahr-
zehntelang die Wetterau in Unruhe, und mehr als einmal wurde Lich davon
empfindlich getroffen. Nachdem es 1363 Philipps Gegner Ulrich III. von Hanau
mit anderen Besitzungen wegen einer Schuld von 4000 Mark Silber als Pfandobjekt
gerichtlich zugesprochen worden war, mußte es bis zur Begleichung der Schuld
den fremden Herrn anerkennen?). Genau zwei Jahre später, in den ersten Monaten
des Jahres 1365, als Ulrich mit seinen Verbündeten die Reichsfehde gegen Philipp
führte, wurde Lich belagert und nach tapferer Verteidigung erobert. Bis zum
Friedensschlusse im Juli 1366 blieb die Stadt in den Händen der Eroberer, unter
denen sich auch zwei Vettern Philipps, Johann und Philipp VII. von Falkenstein,
befanden. Dann wurde sie ohne Entschädigung ihrem Herrn zurückgegeben®). An
der Aufbringung der Kriegskosten hatte sie sich durch ein Darlehen von 1500 Gul-
den beteiligt. Dafür befreite Philipp sie im November 1366 auf sechs Jahre von
Bede und Schatzung. Auch die Bürgschaft, die Lich der Stadt Hungen 1368 für
eine Anleihe leistet, ist ebenso wie die Geldaufnahme selbst zweifellos durch
Kriegsbeihilfe für Philipp veranlaßt>).
‘) Viele falkensteinische Urkunden sind aus Lich datiert. Im J. 1378 hatte Agnes von F. mit ihren
Söhnen dort ihren Hauptsitz und konnte von der „Herrschaft Lich“ sprechen. Reimer IV, 92 u. 100.
®) Baur, hess. Urk. I, 1299. AUB 52. 343. 444. 483. 509. 546. 581. 764. 799.
») Reimer III, 417. 418.
4) Über diese Fehde vgl. Ebel, der Reichskrieg gegen Philipp VI. v. Falkenstein ete. in MOHGV.
N. F. 22 (1915) S. 129-142.
’) Die Urkunden bei v.d. Ropp, urkundliche Beiträge zur Geschichte d. St. Lich in MOHGV. 1,
116f. Nr. 4. 6.
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