Lich
von 1486!) wird sie als dem Marienstift inkorporierte Pfarrkirche bezeichnet. In
den Jahren 1557/58 wurde das Kirchengebäude abgebrochen?). Indessen bleibt die
Zeit, in der der Ort endgültig verschwunden ist, unbekannt. Seine Lage deuten
noch heute die „Häuser Wiesen‘ an; die Stelle, an der die Kirche stand, heißt
noch jetzt der „Kirchberg‘‘?). Eine dritte Filiale, die aber dauernd bei der Kirche
blieb, war die Kapelle bei dem Schloß in Lich.
Philipp III. errichtete im Jahre 1316 ein Kollegiatstift mit 10 Kanonikern
und inkorporierte ihm die Pfarreien Lich®), Ober-Ohmen, Münster bei Bessingen
und Bellersheim, deren Patron er seither war. Im Laufe der Zeit kamen eine größere
Anzahl Kirchen und Kapellen hinzu. Nach einer Urkunde von 1504 waren es
außer den genannten die Pfarrkirchen in Niederbessingen, in Hungen mit den
Altären der hl. Jungfrau, des hl. Sebastian und der hl. Katharina, sowie dem
Marienaltar des Hungener Filials Langsdorf, ferner in Gronau, in Großen-Eichen,
Windhausen, Nonnenroth und Villingen. Alle diese Kirchen und Altäre bildeten
die Benefizien, die von dem Kapitel des Stifts zu besetzen waren. Die Einkünfte
waren, wie hieraus zu entnehmen ist, reich; das Stift hatte aber bei seiner Errich-
tung außerdem eine Dotation von jährlich 100 Achtel Korn erhalten. Andere
Stiftungen kamen hinzu und gestalteten die Lage der Kanoniker mehr als aus-
kömmlich. Das Stiftsvermögen wurde vom Kämmerer verwaltet. Daneben lief
die Verwaltung der Kirchenfabrik, des „Baues‘‘, durch die „Baumeister“ durch-
aus selbständig. An ihr ist die Bürgerschaft beteiligt; der eine der beiden Bau-
meister wird aus der Zahl der Kanoniker, der andere aus der der Ratschöffen
auf bestimmte Zeit gewählt. Dekan, Kapitel und Ratschöffen nennen sich daher
auch gelegentlich ‚allesemptliche als buwemeistere des... stifts“).
Die Kanoniker wohnten in eigenen Häusern, sie wählten die Prälaten, Dekan,
Scholast und Kantor, sowie die Inhaber der übrigen Stiftsämter frei aus ihrer
Mitte und vergaben die Benefizien nach bestimmten Grundsätzen. Ihre Pflichten
bestanden in Chordienst und Seelsorge. Die letztere ließen sie jedoch in der Regel
— bei den auswärtigen Benefizien immer — durch Vikare ausüben. Außerdem
hatte das Stift eine Schule, die hauptsächlich der Vorbereitung für den geistlichen
Stand diente. Mit der Einführung der Reformation durch den Nachfolger des
Grafen Reinhard wurde das Stift reformiert und das Kollegium aufgehoben. Nur
die Prälaturen blieben in gewissem Umfange als Titel der Pfarrer bestehen. Noch
heute heißt der erste Pfarrer Stiftsdechant.
Eine Stiftung aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts hat ebenfalls die Refor-
mation überdauert und sich in Überresten bis in die zwanziger Jahre des vorigen
1) Würdtwein, Subsidia diplom. IV, 194ff.
2) 1 daler dem steindecker die Kirche zu Haußen abzubrechen. Kirchenbau-Rechnung des Marien-
stifts im Stiftsarchiv zu Lich.
3) Wagner, Wüst. Oberh. S. 129.
4) Von den Altären der Pfarrkirche sind zu erwähnen der Marienaltar als Hoch- oder Pfarraltar
(1348: paraltar) und der Nikolausaltar 1306. Ein Frühmesseraltar wird ebenfalls 1348 genannt. (MOHGV.],
115 Nr.3. Baur, hess. Urk. I, 1315.) Die Benefizienordnung v. J. 1504 nennt vier Vikarien, zu denen
natürlich Altäre gehörten: Trinitatis, b. Virginis, s. Johannis und Custodie (Pfarrei). Ebel a.a.O. S. 20.
5) MOHGV. 1, 137 Nr. 25 und 142 Nr. 28.