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ursprünglich ungefähr in der Südflucht des Schlosses durchgelaufen. Aber schon auf
den Bildern von 1545 und 1546 hat sie einen größeren Abstand vom Schloß.
Zugunsten des Schloßparkes fiel später das vorgeschobene Mauerstück, vielleicht
bei dem Schloßumbau von 1831.
Der hohe Stadtturm an der Nordseite neben der Kirche hat quadratischen
Grundriß. Im Aufbau zeigt er Sockel mit Schräge, zwei Teilungsgesimse (Kehle
mit Wasserschräge). Der mittelalterliche — spätgotische — Kern reicht bis an
den beschieferten Aufbau. Er schloß oben mit einem offenen Wehrgang ab, von
dem die breiten Zinnen mit nur zwei Scharten an jeder Seite und die vier Gußerker
noch Zeugnis geben. Diese sitzen auf Steinkonsolen auf, die aus zwei Kehlen be-
stehen. Zwischen den Konsolen Spitzbögen mit Nasen. Vier Wasserspeier an den
Ecken dienten zur Entwässerung des Wehrganges. Über dem Hohlraum des Turmes
wird sich ein steinerner Kegel erhoben haben, wie wir ihn jetzt noch in Wölfers-
heim, Friedberg, Reichelsheim und vielen anderen Orten finden. Abb. 182 — 185.
Das Geschoß zu ebener Erde enthielt das Verließ, einen quadratischen Raum
mit grätigem Kreuzgewölbe auf Konsolen. Den Zugang zu dem Raum bildet von
der Stadtseite her eine spitzbogige Tür, die zunächst in einen kleinen Vorraum geht,
von dem aus eine schwere, eisenbeschlagene Tür weiterführt. Dieser Zugang ist
nicht ursprünglich. Die Einbringung der Gefangenen und der Verkehr mit ihnen
geschah wie bei anderen mittelalterlichen Verließen durch die Öffnung im Gewölbe-
scheitel, über der eine Winde stand. Ein Zapfenstein für die Welle der Winde ist
noch an Ort und Stelle. Die ebenerdige Tür ist also erst nachträglich, wenn auch
sehr bald nach Errichtung des Turmes eingebrochen worden, jedenfalls vor 1545}).
Der Wehrgang der Mauer lief längs der Außenseite, zweimal sich knickend,
durch den Turm hindurch. Ihm öffnete sich im Osten eine spitzbogige, im Westen
eine rundbogige Pforte. Vom Gang aus führt eine Tür zu dem Raum über dem
Verließ. Abb .184.
Von den oberen Geschossen — jetzt fünf — waren vier nach der Stadt zu
offen. Die mächtige, diese vier Geschosse umfassende Öffnung zeichnet sich noch
im Mauerwerk ab. Als ihren oberen Abschluß kann man einen Rund- oder Spitz-
bogen annehmen. Und diesem Bogen entsprach im vierten Obergeschoß ein Kreuz-
gewölbe, das somit einst den ganzen Hohlraum oberhalb des Verließes überdeckte.
Nach der Stadt zu waren Balkenlagen und Leitergänge sichtbar. Vielleicht aber
war das Gewölbe nur geplant und niemals ausgeführt. Vorhanden sind vier An-
fänger mit kräftig gekehlten Rippen auf Konsolen. Das fünfte Obergeschoß, das
letzte unterhalb des Wehrganges, erst eingefügt, nachdem die Wölbung aufgegeben
oder beseitigt war, hat nach der Stadt zu im Scheitel der Füllmauer ein Fenster
mit geradem Sturz auf abgeschrägten Kragsteinen.
Das Gewölbe verhinderte die Fortsetzung der Leitergänge. Deshalb führt eine
Wendeltreppe in der Nordostecke der Turmmauer von dem gewölbten Raum, das
‘) Wie die Art des Mauerwerks und die Farbe des Mörtels erkennen läßt, hatte man die große vier-
geschossige Öffnung zunächst bis zum Gelände herunter verlängert, dann die Tür mit dem trapezförmigen
Vorraum hergestellt und schließlich die ganze Öffnung zugemauert.
Stadtturm