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gelübde waren sie zu wirklichen Ordensleuten geworden, und ihre Stifte hießen
auch Augustinerklöster!).
Der Aufschwung der regulierten Chorherrenstifte setzt etwa mit der ersten
Hälfte des XII. Jahrhunderts ein. Aus ihrer Entstehung heraus begreift man,
daß sie eine ausgebreitete charitative und namentlich seelsorgerische Tätigkeit
entfalteten. Beide Umstände, Blüte und Wirken des Ordens, mögen Clementia
veranlaßt haben, die Augustiner auf dem Schiffenberg einzuführen, wozu Erz-
bischof Megener von Trier und der Abt des Augustinerklosters Springiersbach bei
Reil a. d. Mosel ihre Mitwirkung liehen.
Die Organisation der Niederlassung, von der wir erst aus späterer Zeit besser
unterrichtet sind, mag sich nicht wesentlich von der anderer Klöster des Ordens
unterschieden haben. Die gesamte Leitung des nicht mehr als 12—15 Brüder
zählenden Klosters lag in der Hand des Propstes, der, in Schiffenberg von den
Kanonikern frei gewählt, bei geschäftlichen Entscheidungen der Zustimmung des
Konventes bedurfte. Ihn vertrat in Behinderungsfällen der Prior. Ein anderes
Amt ist das des Kellers. Ob diesem, wie z. B. im Cistercienserorden, die Ober-
leitung der Güterverwaltung oder nur die Leitung des Hauswesens unterstand,
ist nicht zu ersehen. Der Kustos leitete die Seelsorge. Das Amt des Kämmerers
wurde im Jahre 1258 durch Propst Hartmut errichtet. Es erhielt seine Einkünfte
aus den Kapellen in Steinbach und Garbenteich und der Pfarrei des Berges und
aus den Gütern des Klosters in Leihgestern, Bellersheim, Hochelheim und Kinzen-
bach. Daraus mußte den Kanonikern an Ostern, Martini und Michaelis die Klei-
dung, jedem gleichmäßig und der Jahreszeit entsprechend, sowie jedem im ganzen
6 Denare gereicht werden?). Das charakteristischste Stück der Kleidung war der
schwarze Mantel, nach dem die Augustiner vom Volk auch „schwarze Mönche‘
genannt wurden?).
In fünf Dörfern, die sich im Wiesecker Wald angesiedelt hatten, erhielt das
Kloster von Erzbischof Albero von Trier im Jahre 1141 Pfarrechte. Es waren die
Dörfer Watzenborn, Erlebach, Garbenteich, Cotthen und Vronebach, von denen
drei heute ‘wieder verschwunden sind. Zu diesen fünf gesellte eine Fälscherhand
des XIII. Jahrhunderts den Namen eines sechsten Dorfes, Steinbachs, indem sie
ihn auf einen freien Raum am Ende einer Zeile einschrieb und die Zahl ‚‚fünf““
in „sechs‘ änderte. Durch diese und spätere Fälschungen sicherte sich das Kloster
auch die Pfarrei Steinbach und verwandelte seine Pfarrechte schließlich in
Patronatsrechte®). Die Kirche auf dem Gut des Klosters in Nieder-Girmes erhob
Albero zur Pfarrkirche.
Anfänglich versahen die Kanoniker die Seelsorge in den ihnen anvertrauten
Dörfern selbst in der Weise, daß jede Kapelle einem Bruder zugewiesen wurde.
!) Heimbucher, Die Orden u.s.w. der Katholischen Kirche, 2. Aufl. II, 6ff.
2) Wyß III, 1354.
») Wyß II, 458. Eine Beschreibung der Tracht mit Abbildung bei Helyot, Gesch. aller geistlichen
u. weltlichen Kloster- u. Ritterorden II, 24ff.
%) Wyß III, 1331 und S. 438ff. Die Urkunde ist als Original anfechtbar, doch läßt Wyß ihren Inhalt
— abgesehen von der Steinbach betreffenden Fälschung — als richtig gelten. Vgl. hierzu Kalbfuß a.a.O.
S.23 Anm. 4.