Schiffenberg 361
Später, etwa in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts, setzten sie beliebige
Kapläne an ihrer Stelle ein, ohne auf die Einnahmen aus den Kapellen zu verzich-
ten. Das war einer der Zwecke, zu denen sie jene Fälschungen vorgenommen hatten.
Die Erzbischöfe Megener und Albero hatten dem Kloster ihre Schutzprivilegien
erteilt, Papst Eugen III. fügte zwischen 1145 und 1153 das seinige hinzu!). Aus
diesen Urkunden lernen wir den Güterbesitz des Stiftes kennen. Clementia hatte,
wie wir sahen, 20 Morgen Neurodland um den Berg und 2 Morgen Ackerland in
Konradsrod gestiftet. Die Papstbulle faßt dann alle bis dahin gemachten Er-
werbungen, meist wohl Schenkungen, zusammen und nennt Güter in Inheiden,
Obbornhofen, Milbach (wüst), Kolnhausen, Bergheim (wüst), Leihgestern, Grossen-
linden, Bokenheim (bei Grossenlinden, wüst), Kirchgöns, Buseck, Niedergirmes
mit-der Kirche und Weinberge in Lahnstein. Hierzu kamen nachher noch Güter
in Wieseck, Wismar, Atzbach, Bellersheim, Hochelheim, Rödgen, Kinzenbach,
Dornholzhausen, Ebersgöns, Bonbaden und Schwalheim. In vielen dieser Orte
waren Klosterhöfe, z. B. in Milbach, Schwalheim und Niedergirmes, in Leihgestern
sogar drei, auf deren einem die Pferdezucht betrieben wurde?). Die Bewirtschaftung
der Güter geschah im Eigenbetrieb durch das Institut der Konversen. Andere
kleinere Besitzungen waren verpachtet, in der Zeit des Niederganges aber auch
die Höfe?).
Außer liegenden Gütern hatte das Kloster schon bei seiner Gründung alle
todzehnten im Wiesecker Wald als Einkünfte erhalten. Die Bulle Eugens III.
bestätigt ihm hierzu auch den Zehnten von allen seinen eigenen Neurodungen.
Im Jahre 1239 wird zum erstenmal in einer Urkunde, in der Graf Wilhelm
von Gießen dem Kloster eine Hube zu Obbornhofen schenkt, das Vorhandensein
von Nonnen auf dem Schiffenberg erwähnt. Es sind das die Insassen des Klosters
Gella am südlichen Abhang des Berges, von dem wir nicht wissen, wann es ge-
stiftet ist. Es bildete mit den Chorherren eine Gemeinschaft und war eine Zuflucht-
stätte für die Töchter des Adels und der städtischen Patrizierfamilien der Um-
gegend. Wie über die Gründung dieses Frauenkonvents sind wir auch im Unklaren
über die Grundlage seines rechtlichen Verhältnisses zu dem Männerkloster. Aus
den Urkunden wissen wir, daß der Unterhalt der Zelle von den Chorherren zu
bestreiten war, und daß bei vielen Vermögenshandlungen beide gemeinsam
urkunden. Aber nicht immer kamen die Chorherren ihren Verpflichtungen gegen
die Schwestern nach, so daß diese zeitweilig aus Mangel am Nötigsten zu ihren
Verwandten zurückkehren mußten. Es kam schließlich im Jahre 1264 zu einer
Klage der Jungfrauen vor den Gießener Schöffen, in deren Verlauf die Teilung
der Klostergüter zu gleichen Teilen zwischen beiden Parteien ausgesprochen
wurde. Das Urteil konnte aber nicht so glatt vollstreckt werden; die Auseinander-
setzungen zogen sich noch viele Jahre hin. Über die weiteren Schicksale der Zelle
werden wir später noch zu sprechen haben.
1) Wyß III, 1335. Die Bulle ist nur in einer gleichzeitigen, aber undatierten Abschrift erhalten.
?) Wie sich das Kloster in Leihgestern besondere Vorteile, teilweise durch Fälschungen, zu erwerben
gewußt hat, s. bei Leihgestern.
®) Die Einzelheiten s. bei Kalbfuß a.a. O. S. 25ff. 53ff.