Full text: Südlicher Teil ohne Arnsburg ([C, 3], Band 3)

   
Schiffenberg 
Der Prozeß zwischen den beiden Konventen des Schiffenbergs fällt in die 
Zeit der Mißwirtschaft und des Niederganges. Um die Wende des 12. Jahrhunderts 
mochte das Kloster seinen Höhepunkt erreicht haben. Es hatte seine Güter stattlich 
vermehrt und genoß verdientes Ansehen, wenn wir auch dem Umstand, daß seine 
Pröpste häufig als Schiedsrichter zu Rate gezogen wurden, kein allzugroßes 
Gewicht beilegen dürfen. Das Gleiche war auch bei anderen Stiften und Klöstern 
der Fall, denn die Geistlichkeit war nun einmal Trägerin der höheren Bildung 
und Kennerin des Rechts. Die ruhigen Verhältnisse änderten sich aber mit dem 
Vorrücken des folgenden Jahrhunderts. Hatte schon Propst Hartmut, als er das 
Kämmereramt errichtete, durchblicken lassen, daß im Schoße des Konvents 
nicht alles war, wie es sein sollte, und hatte er zugleich eine strengere Ordnung 
eingeführt, so offenbarte der Spruch der Gießener Schöffen die Mißwirtschaft 
in der Vermögensverwaltung, die den Eingeweihten längst bekannt war, aller 
Welt. Mußte doch Pfalzgraf Wilhelm von Tübingen als Vogt bereits im Jahre 1245 
der Verschleuderung von Klostergut entgegentreten. Der zunehmenden Ver- 
schuldung zu steuern, mußten Güterverkäufe vorgenommen werden, bis nach 
der Übernahme der Vogtei durch Landgraf Heinrich plötzlich im Jahre 1278 eine 
Art Verwaltungskommission von zwei Weltlichen und einem Geistlichen erscheint, 
deren Einrichtung vielleicht als ein Reformversuch des Landgrafen betrachtet 
werden darf. Der Tätigkeit dieser provisores, wie sie in der Urkunde genannt 
werden, ist es zu danken, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Klosters wieder 
hoben und seit dem Ende des 13. Jahrhunderts in ihnen eine unverkennbare 
Stetigkeit der Besserung wahrzunehmen ist. 
Trotz dieser augenscheinlichen Besserung schritt Erzbischof Balduin von Trier 
im Jahre 1323 zur Aufhebung des Klosters, oder richtiger zu seiner Einverleibung 
in den Deutschen Orden. Die Urkunde, durch die er dies tat!), fließt über von 
Beschuldigungen gegen die Brüder. Und wenn wir auch vieles als übertrieben 
ansehen dürfen, so bleibt doch noch genügend Grund, die Zustände nicht als ideale 
zu betrachten, denn die gerügten Gebrechen finden sich zu jener Zeit im regulierten 
Klerus durchaus verbreitet, wenn nicht allgemein. Kalbfuß?) ist der Ansicht, daß 
das Kloster nicht sowohl der Zerrüttung seiner inneren und äußeren Verhältnisse 
als vielmehr „der bewußten Erwerbspolitik des Deutschen Ordens“ zum Opfer 
gefallen ist. Darin liegt etwas Wahres, dennoch darf auf der anderen Seite nicht 
übersehen werden, daß bei der mangelnden Organisation der Augustiner jener Zeit?) 
das Kloster eine sehr selbständige Körperschaft bildete, der es an einer dauernden 
oder regelmäßigen Beaufsichtigung fehlte, während es als Glied des Deutschen 
Ordens nur einen Teil eines festgefügten Ganzen darstellte und einer ständigen 
Aufsicht durch die Ordensoberen unterlag. 
Der Deutsche Orden war wie die Templer und Johanniter, an deren Statuten 
er die seinigen anlehnte, eine Frucht der Kreuzzüge. Nach dem Untergange der 
1) Wyß II, 447. 
:) A,2. 0. Bd.18,S.14. 
°) Erst dreizehn Jahre nach der Einverleibung Schiffenbergs schrieb Benedikt XII. für den Augustiner- 
nn jährlicher Kapitel vor und teilte ihn zu diesem Zweck in Provinzen. Heimbucher 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
	        
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