Großen-Linden
Auf die letzten drei — Schulte, Günther, Hamann — sei etwas näher ein-
gegangen:
Schulte deutet die Bilder am äußeren Bogen als Legende des hl. Wenzel
(Acta Sanctorum Septembris, Tomus VII., de Wenzeslav duce Bohemiae mart.
S. 786, 2. Spalte). Der hl. Wenzel wurde in Großenlinden verehrt, ein Holzbild
aus dem späteren Mittelalter befindet sich noch in der Kirche, und nach Ausweis
der Kirchenbücher sind vor 300 bis 400 Jahren noch sehr viel Kinder auf den
Namen Wenzel getauft worden. Am verführerischsten ist die Deutung des ersten
Bildes (Nr. 11): Der Heilige auf dem Reichstag zu Worms vor Kaiser Otto. Der
Kaiser, ex conspectu duorum angelorum, qui Venceslavum in curiam deducebant
subitoque ibidem disparuerunt, obstupefactus throno exsilit, adversum vadit.
In Nr. 12 zieht der hl. Wenzel in den Wald, um Holz für die Armen zu holen. Im
Schlußstein (Nr. 13) befiehlt die Mutter des Heiligen ihrem jüngeren Sohn Boleslaw,
den hl. Wenzel zu töten. In Bild 14 bringt Wenzel die Gebeine des hl. Veit nach
Prag, und Bild 15 deutet die Erbauung der Veitskirche in Prag an.
Günther setzt die Entstehung des Portales in das dreizehnte Jahrhundert,
und zwar in die Zeit um 1230). Zunächst aus stilistischen Gründen: Er sieht in den
Bildern ‚„‚die ausschweifende Verzierungslust eines alternden Stils“. Dazu kommen
für ihn ikonografische Gründe. Er deutet die Darstellungen am Bogen als Georgs-
legende, und zwar in der Fassung, die das Drachenwunder, das ist die Beschwörung
des Drachen und seines Dämons mit dem Zeichen des Kreuzes, enthält. Auch in
der Figur am Pfeiler (Nr. 6) sei der hl. Georg zu sehen, hier aber bereits nach der
neuen Fassung der Legenda aurea als ritterlicher Drachentöter. Die Legenda aurea
ist erst nach 1170 oder 1180 in Deutschland bekannt geworden. Daher kann nach
Günthers Ansicht eine frühere Datierung nicht Platz greifen.
Die Einzeldeutungen Günthers sind:
Im Schlußstein (13) ist die sitzende Figur die hl. Margarete, die aus der
Gewalt des Drachen zu befreiende Jungfrau, neben ihr St.Georg, diesem gegenüber
ein Drachen, überragt vom bösen Dämon, einer geschwänzten Gestalt, dem Teufel.
Über der Gruppe sieht Günther ein Zeichen des Kreuzes. Im ersten Bilde (11)
wird der Vater der Margarete, der König von Lasia, von einem Vertreter seines
Volkes, das in den Köpfen gegenwärtig ist, angefleht, sein Kind als Opfer darzu-
bringen. In der ersten Wagenszene (12) wird der Drachen aus der Stadt geschafft
und in der zweiten (14) kehrt der Heilige mit dem Wagen zurück. Schließlich in
Bild 15 die Erbauung der von König und Volk dem hl. Georg gelobten Kirche?).
!) Man wird gegen diese späte Ansetzung nichts einwenden können. Die romanischen Teile des Frei-
burger Münsters mit dem Portal am südlichen Hahnenturm, das eine ähnliche Tiersymbolik in seinen
Skulpturen zeigt, gehören nach Schuster (Freiburger Münsterblätter III, 1907) in die Zeit von 1180 bis
1230. Dort ist bereits der Spitzbogen vorhanden. Wenn hier in Großenlinden am Portal noch der Rund-
bogen besteht, so hat das nichts zu bedeuten gegenüber der Tatsache, daß an der Vierung mit dem Rund-
bogen ein Kämpferprofil verbunden ist, das ganz bestimmt nicht vor 1220 entstanden sein kann.
2) Nicht ohne Bedeutung ist es, daß die Kirche einen Altar der hl. Margarete besaß, also der Heiligen,
die nach Günther an hervorragendster Stelle des Bogens dargestellt ist. Ja, es scheint so, als wäre der
Margaretenaltar der Kreuzaltar (Laienaltar) gewesen, der in der Mitte des Schiffes vor der Vierung stand
— „am Eingang vom Turm ins Schiff‘ nach Pfarrer Chr. Aug. Hoffmann.
Schulte
Günther
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