Full text: Südlicher Teil ohne Arnsburg ([C, 3], Band 3)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
Hamann 
Großen-Linden 
Ganz besonders beachtenswert ist Günthers Deutung der beiden Gewände- 
  
figuren, von denen die linke eine Fahne, die rechte — genau gegenüber ein 
Kreuz trägt (Nr. 2 und 7). Die erstere, deren Kopf — und das kann nicht mit Un- 
vollkommenheit der Darstellung begründet werden — ganz flach liegt, wäre die 
Synagoge, die andere die Kirche. Eine Gegenüberstellung, die wir im Mittelalter 
an Kirchenportalen häufig finden. 
Der Apostel in Nr. 1 mit Axt und Winkelmaß wird als Matthäus bezeichnet. 
Während Günther eine im Abendland bis dahin noch nie dargestellte Legende 
den Bildern am Bogen zugrundelest, bleibt Hamann innerhalb des damals 
allgemein üblichen Bilderkreises aus der Irlösungsgeschichte und dem Jüngsten 
Gericht. Er sieht das unmittelbare Vorbild in den Skulpturen an den Westfassaden 
der Kirche in St. Gilles und Arles in Südfrankreich, und zwar sowohl hinsichtlich 
der Anordnung, der Umrahmung und Technik der Bilder, als auch hinsichtlich 
des ikonografischen Programms. Der Großenlinder Bildhauer hat dort in Frank- 
reich — so nimmt Hamann an — aus den Darstellungen der Erlösungsgeschichte 
Bilder ziemlich wahllos herausgegriffen, wie sie ihm in Erinnerung geblieben sind. 
Es ergeben sich dann folgende Deutungen: 
Gewände links: 
1. St. Thomas mit Winkelmaß und Axt. 2. Mann mit Prozessionsfahne, ein 
Kleriker niederen Grades, sonst unbestimmt. 3. ein Bischof (wie in Arles an ent- 
sprechender Stelle). 4. der Höllendrache. 5. Vogelkapitell (ähnlich wie in Arles). 
Gewände rechts: 
6. St. Michael, den Drachen tötend. 7. Apostel mit Kreuz (Philippus m. 
8. Petrus. 9. Hier könnte Paulus gewesen sein. 10. Vogelkapitell. 
Äußerer Bogen: 
11. Hinrichtung Johannis des Täufers. Dabei noch zwei andere Personen. 
Oben vom Palast aus zuschauend Herodes mit Frau und Tochter. ‚Auch in Arles 
ist neben dem Besuch der hl. drei Könige noch von den Schandtaten des Herodes 
die Rede.‘ 
12 bis 14. Im Schlußstein die Geburt Christi. Maria auf dem Thron, neben ihr 
in halber Höhe die aus Rutengeflecht gefertigte Wiege. Dann Joseph mit Reise- 
bündel (Flucht nach Ägypten), dann Hirten mit Tieren herankommend. Auf dem 
linken Stein zwei der hl. drei Könige mit Reisekarren, und auf dem rechten Stein 
der dritte König mit gleichem Reisekarren. 
15. Das Opfer Abels, der von Kain erschlagen wird. Opfer und Tod Abels 
sind in St. Gilles in zwei Reliefs dargestellt. 
16 bis 18. Schließlich ist der innere Bogen mit einer Jagdszene gefüllt, wie sie 
sich oft findet und wie sie in St.Gilles an einem wagrechten Architravgesims auftritt. 
Hamann hat dann in einem Aufsatz „Motivwanderung von West nach Osten“ 
(Wallraf-Richartz-Jahrbuch 1926/27, S. 49— 73) die Skulpturen von Großenlinden 
eingereiht in eine Bewegung, deren Ursprung er nach Südfrankreich und Ober- 
italien verlegt. Innerhalb Deutschlands hatte sie ihren Ausgangspunkt in der 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
   
   
   
   
  
   
   
   
  
  
  
  
  
  
  
   
    
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.