Versuch
einer Dar-
stellung
der Bauge-
schichteim
Mittelalter
10. oder
11. JIhdt.
GrundrißI
Großen-Linden
„Merkwürdig ist die Kirche. Ihre Gestalt und Bauart verräth das hohe Alter.
Ein völliges Kreuz, denn die 2 kleinen Chöre a a, welche oben an des Kreuzes
Hpt zu rechten u linken befindlich sind, sind, wie die Betrachtung derselben zeigt,
angebaut. Über dem Chor g ist der Hptthurm, zu beiden Seiten des Hpteingangs
sind 2 Neben Thürme h h ohne weiteren Zweck als zur Zierath, u etwa als Strebe-
punkte zu betrachten. Sie sind massiv, nicht hohl u folglich auch kein Eingang zu
denselben. ....
„Der Hochaltar, welcher im hinteren Chor f stand, hies der St Peters Altar.
Ich lies ihn abbrechen, theils weil er den Schulkindern den Platz nahm und die Auf-
sicht über sie verhinderte ... . Der Altar, der ehemals am Eingang vom Thurm
ins Schiff stand, hies St. Margarethen Altar. Was auf jenem gestiftet war genoss
der Pastor, was auf letzt. . gestiftet wurde d. Diaconus.“
Pfarrer Hoffmann glaubt festgestellt zu haben, daß die Anbautenaa nach-
träglich angefügt worden seien. Ein — wenn auch unregelmäßiger — senkrechter
Absatz in der südlichen Chormauer spricht aber dafür, daß der südliche Anbau
doch mit der Chormauer in Verband gestanden hatte. Soweit der Anbau reichte,
ist die Mauer stärker, was auf größere Belastung schließen läßt. Dagegen konnte
selbstverständlich kein Verband mit der östlichen Querhausmauer bestehen, denn
diese Mauer war zur Zeit der Erbauung der Anbauten nicht vorhanden gewesen!).
Vier Gräber wurden aufgedeckt, in Bruchstein gemauert und gewölbt, ohne
bemerkenswerten Inhalt. Eines der Gräber lag mit dem Kopfende unter der Ost-
mauer der „Vorhalle‘. Diese gehörte sonach nicht dem ältesten Bau an.
Die Ausgrabungen alter Grundmauern und die sonstigen Feststellungen des
Jahres 1907, insbesondere die Unterschiede in der Achsenlage von Bauteilen, und
schließlich stilistische Einzelheiten lassen gewisse Schlüsse auf die früheren
Formen der Großenlinder Kirche in ihrer wechselreichen Baugeschichte zu.
Wenn in Nachstehendem der Versuch gemacht wird, die Baugeschichte lediglich
auf Grund von Indizienbeweisen nicht nur mit Worten, sondern sogar mit fest
umrissenen Grundrissen darzustellen, so sei ausdrücklich vorausgeschickt, daß es
sich dabei z. T.nur um Möglichkeiten handelt. Grundrißzeichnungen aber sind
nötig, weil durch Beschreibung allein eine klare Darstellung nicht zu geben ist.
1. Es ist darauf hingewiesen worden, daß das Apsisfundament, wenn wir es
uns an die jetzigen östlichen Vierungspfeiler angefügt denken, eine auffallende
Stelzung zeigt. Der Halbkreis ist zu weit entfernt von diesen Pfeilern. Die Apsis
scheint sich daher an eine Querhausostmauer angelehnt zu haben, die an derselben
Stelle gestanden hat, an der die jetzige steht. Dann erst ergibt sich eine angemes-
sene Grundrißform der Apsis. Wir haben ferner gesehen, daß die Südmauer des
Querhauses in ihrem unteren Teil Beziehungen zur Apsisachse hat. Sie kann also
mit diesem unteren Teil schon zur Apsiskirche gehört haben. Dann hätte die Apsis
!) Über dieselben Anbauten berichtet noch der Hess.-Darmstädtische Staats- und Adreß-
kalender von 1789: „Auf beiden Seiten gedachten Altars erblickt man in der Mauer zwei eiserne Türen,
welche in zerstörte dunkle und schauervolle Gemächer führte
n, deren Bestimmung nicht sicher ist, welche
aber wahrscheinlich für Büßende bestimmt waren.‘