Großen-Linden 69
auch — vermutlich um 1500 und später — wurden die Fenster dieser Südmauer
des Querhauses, die alle gotische Form zeigen, hergestellt!).
Ganz offen bleibt die Frage, wann und warum man dazu kam, die Ost-
mauerndes Querhauses — die mit den Altarnischen — zum Teil niederzulegen
und unmittelbar daneben neue Mauern zu errichten, die mit dem östlichen Vierungs-
bogen und dem Vierungsturm in keinerlei organischem Zusammenhang stehen.
Diese Erweiterung ist um so verwunderlicher, als die inneren Mauern, die „um
1130“, als Widerlager der Vierungsbögen unentbehrlich waren und in der Haupt-
sache erhalten bleiben mußten, ein Raumgewinn also nicht erzielt wurde. Sie wird
einigermaßen verständlich, wenn man annimmt, daß die noch verwendbaren
Grundmauern einer ältesten Kirche, der Apsiskirche, einen Anreiz dazu gegeben
haben könnten. Oder sollte es sich so verhalten, daß wir in den äußeren Ostmauern
gar noch wesentliche Teile von den Mauern der Apsiskirche vor uns haben, an die
man „um 1130° zur Abstrebung der Vierung innen neue Mauern anlehnte ?
Zwei Fragen sind in dem vorstehenden Versuch einer baugeschichtlichen
Klärung nicht beantwortet: wann das Figurenportal von der Südmauer
in die Westmauer versetzt wurde, und warum und wann die drei-
viertelkreisförmigen, massiven Eckvorlagen angefügt wurden.
Man ist geneigt, für beides ein und dieselbe Zeit anzunehmen, als es galt,
der Westseite eine repräsentative Erscheinung zuteil werden zu lassen.
Einen Anhalt für die Zeit der Versetzung des Portals haben wir in der Form
seines Ersatzes an der Südseite: die Tür daselbst mit geradem Sturz ist noch
gotisch?). Und für die Zeit der Errichtung der Eckvorlagen in der Art des
Fachwerks an dem beschieferten Aufbau. Die friesartige Wiederholung der ge-
krümmten Fußstreben weist in spätgotische Zeit.
Wir haben angenommen, daß an Stelle der Eckvorlagen einmal wirkliche
Treppentürme gestanden haben. Wenn es so war, dann hätte man jetzt — sagen
wir um 1500 — unter Benutzung der alten Grundmauern das äußere Bild der
früheren Zeit wiederhergestellt. Wirklich nur aus repräsentativen Gründen’?
Vielleicht nicht allein. Es ist ein fortifikatorischer Zweck durchaus denkbar, ja
sogar wahrscheinlich für Ausschautürme an dieser Stelle, wo von der Burg des
Ortes — das war die Kirche mit dem Kirchhof — ein weiter Ausblick in das
(relände, vor allem nach Nord und Süd auf die vorüberziehende Straße sich bot.
Neben dem Portal sind von jeher die Eckvorlagen rätselhaft gewesen, be-
sonders in ihrem Zustand vor 1907, wo sie ohne Hohlraum, ohne jegliche Öffnung
oder Gliederung ganz zwecklos erschienen.
Zu beweisen ist die Annahme, daß die Eckvorlagen Nachfolger von Treppen-
türmen seien, nicht. Deshalb ist es notwendig, nach ähnlichen Eckgestaltungen
!) Das wäre die Zeit, in der das Pfarrhaus gebaut wurde.
?) Wenn wir hieraus schließen, daß die Versetzung etwa um 1500 stattgefunden hat, so bleibt ver-
wunderlich, daß die Verwitterungserscheinungen an den nunmehr nach Westen gelegenen Flächen nicht
in gleichem Maße sich geltend gemacht haben wie an den Flächen, die vorher nach Westen gerichtet
waren, obwohl doch die Zeitdauer um 100 Jahre länger gewesen wäre. Die Annahme eines Schutzdachs
für den zweiten Zeitraum liegt nahe.
Ostmauern
des Quer-
hauses
Versetzung
des
Figuren-
portals
Eck-
vorlagen
massnae