Conrady: Plastik — Tierdarstellung 79
im Klosett aufstellte und ihnen nach der Nase schoß — offenbar in dem
Glauben, im Abbild das Urbild zu verletzen.) Dann spricht um 290 v. Chr.
Sung Yüh in seinem Ch’ao-hun?) von Ahnenbildern (nicht Tafeln!), die in
der Halle vornehmer Häuser von Ts’u aufgestellt waren — die Deutung von
„Bild“ als „Vorbild“ bei einem alten Kommentator ist absurd und auch von
der guten chinesischen Kritik nicht anerkannt —, und endlich gehören als
indirekte Zeugnisse, deren erstes möglicherweise noch ins 5. Jahrhundert v. Chr.
hinaufreicht, die Vergleiche mit Bildsäulen hierher, wie sie bei Lieh-tze3) und
(gleichlautend) bei Chuang-tze ‘) sowie bei Han Fei’) gefunden werden. Auch
des Zweitgenannten Auffassung der schaffenden Allseele (Tao) als eines Holz-
bildners — ‚Tao schnitzt alle Gestalten‘‘®%) — kann wohl noch angeführt werden.
Um schließlich auch der freien plastischen Tierdarstellung zu gedenken,
soweit sie nicht vorher schon berührt ist, so wären hier die ‚irdenen Stiere‘
zu nennen, die man nach Lü Puh-wei?) im 3. Jahrhundert als symbolische
Opfertiere, eine Art Sündenböcke, brauchte, die Kälte „wegzugeleiten‘“, und eine
freilich sehr knapp gefaßte Bemerkung Sün-tze’s möchte glauben lassen, man
habe schon im 3. Jahrhundert v. Chr. Tierfiguren an den Gräbern aufgestellt.°)
Auch die Notiz des Tso-chuan zum Jahre 629 v. Chr., wonach das Salz in
Tigerform serviert wurde, ist immerhin als Zeugnis für den künstlerischen
!) Ich möchte fast annehmen, daß diese Anekdote bei der Erzählung des Shi-ki
(8, 8/9: Chavannes, Memoires historiques I, 198) Gevatter gestanden hat, die den „gottlosen“
Kaiser Wu-yih (um 1200 v. Chr.) eine menschengestaltige Figur des Himmelsgeistes
verfertigen, mit ihr Brett spielen und sie mißhandeln läßt. Der Chan-kuoh-ts’eh be-
richtet nämlich an jener Stelle von demselben Yen auch, daß er die Erde gepeitscht
und den Himmel erschossen habe, der nach den ausführlicheren Angaben Lü Puh-wei’s
(Lü-shi Ch’un-ts’iu 23, 10a) durch einen hochgehängten Sack voll Blut repräsentiert war,
und diese letztere Freveltat, genau so ausgeübt, wird im Shi-ki (l. c.) ebenfalls dem
Wu-yih in die Schuhe geschoben. Eines von beiden muß Übertragung sein; und da
die geringe Zeitdifferenz zwischen Vorgang und Erzählung entschieden zugunsten der
zwei älteren Werke spricht, so liegt sie wahrscheinlich doch in der Lesart des Shi-ki
resp. seiner unbekannten Quelle vor, zumal die von der sonstigen alten Überlieferung
(Shu-king, Chuh-shu-ki-nien) nicht unterstützt wird. Mit dem einen könnte recht wohl
aber auch das andere zurückdatiert worden sein. — Ich kann noch hinzufügen, daß
Darmesteter (La fleche de Nimrod en Perse et en Chine, Journ. asiat. VILI. Ser., S. 220—28;
vol. Chavannes a. a. O.) in dem Wilde-Jäger-Motiv der Wu-yih-Legende den Stamm-
vater der persischen Sage vom Himmelsschusse des Keikawus-Nimrod gefunden zu haben
olaubt; sie sei im 3. Jahrhundert v. Chr. aus China herübergewandert. Ist meine obige
Vermutung richtig, so dürfte sie eher, falls überhaupt ein Zusammenhang besteht, von
der Yen-Anekdote ausgegangen sein. Da jedoch das Peitschen der Erde ein wenig an
Persien (Xerxes und das Meer!) erinnert, so ließe sich auch der umgekehrte Weg: von
Persien nach China, vermuten, so daß die persischen Erzählungen eine tatsächliche Nach-
ahmung hervorgerufen hätten. Denn vorläufig liegt wohl kein Grund vor, den historischen
Charakter dieser Yen-Anekdote zu bezweifeln.
2) Ts’u-tz’e 7, 3b.
3) Lieh-tze 2, 5a: Faber, Licius, S. 30.
4) Chuang-tze 7 (21), 23a: Legge, SBE., 40, 53 („während dieser Zeit stand er [der
Schütze] wie eine Bildsäule“).
5) Pei-wen-yün-fu s. v. Siang-jen.
6) Chuang-tze 3(b), 15b: Legge, SBE. 39, 256. Sollte vielleicht auch an Lao-tze (Tao-
teh-kine K. 14 u. 21) erinnert werden dürfen ?
7) Lü-shi Ch’un-ts’iu 12, 1b, cf. Li-ki 3(4),69b: Legge, SBE., 27,307; Hou-Han-shu,
Chi 8, 6b.
8) Sün-tze 12, 17b: „Nashörner und Elefanten nimmt man als (Grab-) Bäume“, d. h.
an’ Stelle der sonst üblichen Grabbäume.