Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
    
Hanzeit — Griechisch-römischer Stil 
freilich nicht hervor, daß man damals überhaupt nicht „traf“, aber es muß 
doch bedenklich damit ausgesehen haben; wenigstens bekennt in der hier ferner 
anzuschließenden Anekdote Han Fei-tzes (f 233 v. Chr.) ein Maler auf die 
Frage nach dem Schwersten und Leichtesten in seiner Kunst mit naiver 
Offenheit, das Schwerste seien Hunde und Pferde, denn weil die jedermann 
kenne, so müsse man sie auseinander halten, dürfe sie nicht über einen Kamm 
scheren, und Dämonen und Ungeheuer seien am leichtesten, weil gestaltlos und 
unbekannt.!) Auch Huai-nan-tze versichert noch hundert Jahre später, ein 
gemalter Drachenkopf allein, ohne den Körper, lasse nicht erkennen, was für 
ein Tier gemeint sei,?2) und nicht ohne Grund hatten selbst noch die ver- 
hältnismäßig fortgeschrittenen Schantung-Skulpturen ihre erläuternde Inschrift 
— gar nicht zu reden von den Vorlagen des T’ien-wen, wo solche ja ebenfalls 
zu vermuten sind. Es ist ja auch nur begreiflich, daß es schwerfallen mußte, 
von der konventionellen Stufe der Ornamentik den Übergang zum Individualis- 
mus zu finden. 
Gleichwohl (oder gerade deshalb) müssen schon diese ältesten Bilder das 
Entzücken ihrer Zeit gewesen sen. Denn wir lesen in dem offenbar authen- 
tischen Berichte des Tsin-shu über den berühmten Bücherfund in dem 299 v. Chr. 
errichteten Grabe von Kih, daß sich darunter auch ein Band ‚‚Bilderlieder‘ 
(t’u-shi) „von der Art der Eulogien auf Gemälde‘ befunden habe.?) Schade, 
daß gerade der uns nicht mehr erhalten ist! Zumal der Vergleich mit dem 
T’ien-wen müßte lehrreich sein, denn wie ja mit einiger Sicherheit zu vermuten 
steht, haben auch diese Bilder ähnliche Vorwürfe gehabt. Immerhin folgt 
schon aus dem bloßen Vorhandensein eines solchen Werkes, daß die Malerei 
des ausgehenden 4. Jahrhunderts zum wenigsten quantitativ nicht mehr ganz 
unbedeutend gewesen sein kann. 
Nicht eben unmittelbar hierhergehörig, aber doch erwähnenswert ist endlich, 
daß in den Palästen von Ts’u damals die Balkenköpfe am Dachgesims dem 
Ch’ao-hun zufolge mit bemalten Drachen- und Schlangenskulpturen prangten, 
wie dessen leider nur allzu knappe Schilderung denn überhaupt eine reiche 
polychrome Ausstattung des vornehmen Hauses erkennen läßt.*) Auf eine 
solche deutet anscheinend auch Mencius mit seinem Beispiel von der (schlecht) 
gemalten Wandverzierung hin,’) aus der man nur leider auch nicht erfährt, 
ob etwa figürliche Darstellungen darunter waren. Noch weniger ist mit dem 
überhaupt recht lahmen Gleichnis Shi-tzes anzufangen, daß die Schönheit -eines 
Gemäldes nicht beurteilen könne, wer nur eine Farbe davon sehe. 6) — 
Damit wäre mein Material gegeben. Es hätte sich freilich stark ver- 
!) Han Fei-tze 11, 6b; im Auszug auch bei Huai-nan-tze 13, Ta und im Hou-Han-shu, 
Lieh-chuan 49, 8a. | 
2) Huai-nan-tze 21, 6a. — Als Kuriosum darf hier, bescheiden im Souterrain, wohl 
auch die lustige Geschichte des Chan-kuoh-ts’eh (4, 17b) von dem Wettzeichnen einiger 
Leute aus dem Volk um eine Kanne Wein Platz finden. Wer zuerst eine Schlange auf 
die Erde gezeichnet hätte — so war das Abkommen —, der sollte den Wein erhalten; 
aber der Sieger hatte sein Kunstprodukt im Stolz auf seine Schnelligkeit sogar mit 
Beinen geziert, und so nahm ihm der Nächste die Prämie buchstäblich vom Munde weg. 
3) Tsin-shu 51, 18a. Vgl. Chavannes, M&m. hist. V, App. 1, 8. 456 (wo t!u-shu 
für !u-shi verdruckt ist). 
*) Ts’u-tz’e 7, 4b, 3b.— Auch Chuang-tze (5 [12], 12b: SBE., 39, 328) spricht von 
grüner und gelber Bemalung eines „Bechers mit dem ÖOpferstier“ (hi-tsun); aber es ist 
nicht klar, ob das Tierbild daraufgemalt oder eventuell vorher eingeschnitzt war, oder ob 
nicht etwa der ganze Becher Tierform hatte. 
Py Menerus III; 2,..1V. 5. 
6) Shi-tze 2, 34a.
	        
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