98 Hanzeit — Südlicher Stil
werden, da nach den Angaben „ganze Eisenbahnladungen von Geräten und wert-
vollen Funden“ noch zu finden sind, obgleich die Bauern in der Gier nach Geld-
münzen schon sehr vieles zerstört haben.
„Von der Hafenstadt Suifu (Hsütschou) vom oberen Yangtse ab den Minfluß
entlang durch Szechuan finden sich in der ganzen Gegend bis zu den Orten Kiangkeo
und der Kreisstadt Hsintschingsien Höhlen in Felsen und an Berglehnen. Sie liegen
oft vereinzelt, oft in Reihen nebeneinander, oft ganze Kolonien beisammen. In großer
Zahl finden sie sich ferner auf beiden Ufern des Flusses Tschengtu und schließlich
im nördlichen Yünnan, an der großen Straße, die von Suifu in Szechuan durch
Yünnan nach Burma führt.“ Wie wir schon sahen, drangen in der Hanzeit die Chi-
nesen südlich vor, und lange Zeit bildete der Nanfluß die Grenze. ‚„Allmählich ver-
mischten sich die beiden Völker, und wenn auch der Hauptstamm der Man in die Berge
vertrieben wurde, so soll doch die Bevölkerung dieser ganzen Ebene nicht nur der
Abstammung nach, sondern auch nach Sitten und Gebräuchen deutlich als Mischrasse
zu erkennen sein. Die von den Ureinwohnern an den Ufern des Nanflusses hinter-
lassenen Vasen, Krüge und Bowlen ähneln den chinesischen der Handynastie, sind
aber viel zierlicher und geschmackvoller und erreichen schon eine ziemliche Weiße
der Glasur. Bei Penschanhsien, etwa 50km südlich von Tschengtufu, der Hauptstadt
Szechuans, findet sich ein Überbleibsel ihrer Töpfereien, die nachher die Chinesen
fortgesetzt haben.‘
„Daß die Höhlen Grabkammern waren, geht daraus hervor, daß sich in ihnen
überall Särge aus gebranntem Ton,!) meist in Stücke zerschlagen, finden, deren
Boden und gewölbter Deckel je aus einem Stück bestand. Andere Särge sind in den
Felsen gehauen und oft sehr schön mit eingemeißelten Reitern, Tieren und häuslichen
Szenen geschmückt. Oft finden sich auch Mauersteine in den Gräbern. Doch hat
sich nicht feststellen lassen, ob aus ihnen unmittelbar Särge gemacht waren oder
ob sie die tönernen Särge als weitere Hülle umgeben haben. An den Wänden sind
Abbildungen von geflügelten Göttern und Tieren, die gar nicht der chinesischen
Phantasie entsprechen.“
„An Totenbeigaben kommen neben einfachem Hausgerät auch Figuren
von Menschen und besonders ganze Menagerien von Haustieren und Hausvögeln
vor. Auch Krüge mit altertümlichen Münzen sind wohl in jedem Grabe zu finden.
Auch längere und kürzere Schwerter uralter Form — die leider nicht näher
beschrieben werden — sind gefunden; nur hören wir, daß sie gestohlen und an die
Dorfschmiede für wenige Käsch als altes Eisen verkauft werden. Der Gesichts-
ausdruck der Bilder ist in der Regel von dem chinesischen ganz verschieden, so
daß schon dieser Umstand auf eine andere Rasse als Erbauer hindeutet. Auch
Skelette oder Teile von ihnen sind in manchen Gräbern zu finden. Sonst kommen
hauptsächlich Kochkessel und Schüsseln, oft auch metallene Becken aus Bronze
vor, aber von all dem sind meist nur zerschlagene Scherben übrig. Die Gräber
unterscheiden sich an Reichhaltigkeit oder Mangel an Vorräten sehr voneinander.
Es finden sich auch vereinzelt an den Eingängen und den Wänden Inschriften in
altertümlichen, chinesischen Zeichen, die anscheinend Namen wiedergeben sollen.“
„Die einzelnen Höhlen sind von sehr verschiedener Größe, gewöhnlich 3 m
tief, 2,10 m breit und ebenso hoch, manchmal aber geht die Breite 2,50 bis 3 m und
die Tiefe bis zu 30 m. Einzelne Höhlen haben zwei oder auch bis zu zehn Seiten-
gänge, viele sind mit Zieraten an den Wänden geschmückt oder ihre Decke wird von
Pfeilern mit hübsch ausgemeißelten Kapitellen getragen. Manche sind zwei- oder
sogar dreistöckig; in solchem Fall führt eine Öffnung, durch die ein ausgewachsener
1) Vermutlich werden sie übereinstimmen mit den alten japanischen Tonsärgen,
s. Abbildung in Münsterberg, Japanische Kunstgeschichte, Bd. III, Abb. 4.