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Drachen — Älteste Darstellungen 101
kommt. Umgekehrt ist auf Malereien, moderneren Porzellanen und Bronzen, sowie
in der Architektur fast stets die letztere Form gewählt. Wir haben hier wieder
eine Bestätigung des für Ostasien geltenden Gesetzes, daß die jeweils geschaffene
Form an dem Material und der Ausführung stets wie ein Kanon gebunden bleibt.
Allmählich wird die Bedeutung des Drachens immer mehr erweitert. Eine
Reihe von Naturerscheinungen werden seiner Kraft zugeschrieben, und an unheim-
lichen Orten bei Blitz und Donner sieht der Gläubige in den dunklen Wolken am
Himmel stets den Drachen. Er ist der Genius des Wassers und des Himmels, schließ-
lich von aller Kraft des Unendlichen und des Wechsels. Aber keine neue Gestalt
wird ersonnen, sondern nur in immer mehr vertiefter Auffassung wird das einst
mißverstandene Ornament zum Symbol der überirdischen Kraft gestaltet. Fast alle
großen Künstler der verschiedenen Zeiten haben sich an diesem tiefen Probleme
versucht. Die ältesten Künstlerlegenden erzählen schon von der Lebendigkeit der
gemalten Drachen, die fortflögen, sobald ihnen der Maler zu allerletzt die Augen
einsetzte.
Eine bildliche Darstellung des Drachen wird zum ersten Male im alten
Liederbuche des Konfuzius als Zeichen auf einer Königsflagge erwähnt, aber wir
wissen nicht, wie der Drache des 6. Jahrhunderts v. Chr, aussah. Was spätere
Schriftsteller nachträglich als Drachenbilder bezeichnet haben, wird sicher in der
Vorhanzeit nicht so benannt worden sein. Es scheint, als wenn die erste Malerei
eines wirklichen Drachen frühestens in der späten Hanzeit aufkommt. Die ver-
schiedenartigen älteren Darstellungen, die mit dem späteren Sammelnamen „Drache‘‘
bezeichnet werden, sind sicher unverstandene Nachahmungen fremder Formen,
die einst im Ursprungslande nach Gebilden der Natur geschaffen waren. Wir
können verschiedene Einzelmotive nachweisen, aus deren gegenseitiger Beeinflussung
das heutige Drachenbild geformt, die aber auch einzeln sich bei gewissen Tech-
niken erhalten haben.
Das Bandornament wurde im 2. Jahrtausend v. Chr. mit Tierköpfen ver-
ziert, deren Klassifizierung nicht (Abb. 5, 6) möglich ist. Andererseits werden
die verschiedensten Phantasietiere abgebildet, deren Vorbild nicht mehr zu er-
kennen ist (Abb. 7). Der gekrümmte Leib mit den vier Füßen, dem langen
Kopf mit weitgeöffnetem Schlangenmaul und dem geringelten Schwanz kann
ebensogut ein mißverstandener Hund wie ein Tiger sein. In der späteren
Zeit gelten ähnliche Gestalten als Regendrachen und werden besonders auf Jade-
stücken und Bronzen als typische Formen des archaistischen Stiles abgebildet.
Bei den Skythen fanden wir Verzierungen in Gestalt von Tierköpfen. Neben
dem Kopf eines Raubtiervogels wird besonders der einer Art Schlange (Abb. 13, »)
dargestellt. Das tief eingeschnittene Maul mit breiter Schnauze und flachem Kopfe
wird ein beliebtes Motiv des Kunstgewerbes. Wir sahen es als Verzierungen
an Brunnen (Abb. 40) und als Handgriff der Kochgeräte (Abb. 63, 64). Als
Vorbild dürfte einst eine Schlange gedient haben; vielleicht war es eine
übertragene Form alter Kultbilder der Schlangenverehrung. Nicht nur in China,
sondern auch in Europa wird aus dem Schlangenkopfe ein „Drachenkopf“, der,
sowohl bei den Wikingern wie bei den Chinesen der Hanzeit (S. 75) am Bug
eines Schiffes angebracht, das Zeichen des „Drachenschiffes“ wird. Der Leib des
Drachen hat damals noch keine feststehende Form erhalten.
Als skythische Arbeit hatten wir eine getriebene Goldplatte kennen gelernt
(Abb. 22), auf der die sich gegenüber aufrichtenden Tiergestalten als ‚Drachen‘
bezeichnet wurden. In Wirklichkeit zeigt das große Horn auf dem Kopf der
Tiere und der. vierbeinige Körper, daß es sich um die Darstellung von Stein-
böcken handelt. Die vierfüßigen Tiere wurden im Gegenüber mit dem Baum
in, der Mitte dargestellt; zur Füllung der Fläche wurden die stilisierten