NE PELATINEIS
104 Hanzeit
Stil kennen gelernt, der wesentlich von der späteren Auffassung abweicht. Da
in der Inschrift die Steinmetzkosten von 40 000 Käsch für diese Löwen ausdrück-
lich ausgegeben sind, so können wir vermuten, daß fremde, vielleicht hellenistische
Gandharakünstler die Ausführung besorgt haben. Den Stil der Reliefs (s. S. 51)
hatten wir als mittelasiatischen Mischstil erkannt, und wir können schon daher
annehmen, daß auch der plastische Löwe sein Vorbild in den westlichen Ländern
gehabt hat.
Während somit erst in nachchristlicher Zeit das Löwentier in China be-
kannt wird, finden sich schon aus der vorhergehenden Zeit Darstellungen von
Löwen auf Metallspiegeln (Abb. 37, 39). Wir sehen hier wieder, wie aus der fremden
Kunstsprache unverstandene, typische Darstellungen als Dekorationsmotive über-
nommen und in traditioneller Weise beibehalten werden. Die Löwendekoration
der Spiegel bleibt für diese nicht nur erhalten, sondern die eigenartige Aus-
führung der spiralförmig geringelten Mähnen und der breiten, gedrungenen Ge-
stalt in ihren Verkürzungen übt auch in der späteren Kunst einen so starken
Einfluß aus, daß buddhistische Löwen häufig in dieser prähistorischen Form aus-
geführt werden. In Japan sind farbig schablonierte Lederbezüge von Brust-
harnischen aus dem 12. Jahrhundert erhalten,!) die noch deutlich diesen Zu-
sammenhang zeigen. Die Spiralenausführung der Mähnen hat offenbar ein in
der Technik begründetes, noch älteres Vorbild. Sie dürften ursprünglich durch
die Einlage von Drähten in Spiralen, wie auf den Dolchklingen Mykenäs die
Löwenbilder in Gold- und Silberdrähten inkrustiert gewesen sind, entstanden
sein, da diese Technik am leichtesten ausführbar ist. Als dann das beliebte
Motiv wohl wegen der Kostbarkeit der Edelmetalle im Bronzerelief nachgeformt
wurde, blieb diese Art der Ausführung beibehalten.
Eine andere Löwendarstellung aus vorbuddhistischer Zeit findet sich ver-
einzelt auf Töpfereien der Hanzeit. In der Regel sind die Jagdszenen (Abb. 52, 56)
auf Eber, Hirsche oder Steinböcke stets in gut beobachteter, realistisch be-
lebter Weise dargestellt, aber vereinzelt scheint ein fremdes Vorbild mecha-
nisch kopiert zu sein, denn ein offenbar dem Künstler unbekanntes Tier, das
wahrscheinlich einen Löwen darstellen soll,?2) ist im steifer Weise wiedergegeben.
Während Laufer skythische und türkische Einflüsse stets zusammenwirft, glaube
ich gerade bei den Jagdszenen auf einen Unterschied hinweisen zu können.
Auf skythischen Darstellungen?) schießt der Reiter am Kopfe des Pferdes
vorbei nach vorn, während auf Hantöpfereien und bei den sassanidischen Dar-
stellungen stets der Bogenschütze mit gedrehtem Körper nach hinten zielt. Ob
es sich hier um verschiedene Anwendungsarten des Bogens handelt, oder ob nur
die Abweichung in der künstlerischen Auffassung basiert, ist schwer zu ent-
scheiden. Es wäre wohl möglich, daß beide Völker zur Seite schossen, aber, da
die Abbildung stets im Profil gegeben werden mußte, die Darstellungsmode diese
Verschiedenheiten erfunden hat. Jedenfalls können wir den gejagten Löwen in
1) Münsterberg, Japanische Kunstgeschichte, Bd. I, Abb. 85, S. 107. — Laufer,
Chinese porcelain of the Han Dynasty, $. 242, Anm.2, hält meine Ansicht für irrig.
Aber Laufer verwechselt die Bedeutung der Löwen mit ihrer künstlerischen Darstellung.
Es liegt hier ein ganz ähnlicher Zusammenhang vor, wie bei dem Löwen des hl. Markus
und den römischen Löwen. Sicher ist das christliche Symbol nicht aus dem heidnischen
entstanden, aber seine künstlerische Form hat es aus Rom übernommen, Ist doch der
geflügelte Markuslöwe in Venedig ein römisches Original mit später angesetzten Flügeln.
Die Symbolik benutzt die alten Kunstmotive und gibt ihnen neue Bedeutung.
2) Abbildung z. B. bei Zaufer, Chinese pottery of the Han Dynasty, Taf. LIa.
3) Zahlreiche Abbildungen bei Reinach, Kondakof und Tolstoi, Antiquitss de la
Russie me£ridionale. |