Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

  
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Ku Kaichih — Menschendarstellung — Perspektive 123 
auf allen Bildern, daß der wesentliche Inhalt in dem Blick zweier Köpfe oder in 
dem eines Kopfes auf einen Gegenstand konzentriert ist; alles andere bildet eine 
Staffage, die ebensogut wegbleiben könnte. Dieses Spiel der Blicke, in Verbindung 
mit der Kopfhaltung, ist wundervoll zum Ausdruck gebracht. Die in ihre Arbeit 
vertiefte Hofmeisterin, die kühne Hofdame und die emsige Dienerin, die stolze 
Freundin des Kaisers und die lauschende Frau im Bett sind Meisterwerke einer 
hohen Kunst. 
Das Mongolengesicht hat im Gegensatz zum europäischen eine viel geringere 
Ausdrucksfähigkeit im Spiel der Falten und Muskeln, daher erscheinen uns asiatische 
Köpfe leicht unbelebt und gleichförmig. Auch gehört es in China zum guten Ton, 
sein Gesicht öffentlich in einer gewissen vornehmen Reserviertheit zu halten und 
Schmerz und Freude nicht zu erkennen zu geben. Wie trotzdem ein lebendiger Aus- 
druck erreicht werden kann, zeigt Ku Kaichih besonders bei der Bettszene. Der 
sprechende Kopf des Mannes mit geöffnetem Munde, an dem die Augen der lauschenden 
Hofdame mit ehrfurchtsvollem Ernste hängen, ist mit sicherem Strich in wenigen 
Linien und Punkten ausgeführt. 
In der Darstellung des eckigen Bettgestelles finden wir den Anfang einer Per- 
spektivzeichnung. Auf den Steinreliefs waren die Gebäude in flachem Aufriß 
(Abb.25) gegeben, hier ist eine Tiefenwirkung angestrebt. Das Mittel der Architektur- 
perspektive, das bis zum heutigen Tage in Ostasien beibehalten ist, erinnert an den 
römischen Stil, wie er in Europa bis zum Mittelalter noch üblich war. Im Gegensatz 
zu den gebogenen, fließenden Linien bei der Menschen- und Gewänderdarstellung 
werden Architekturen mit scharfen Kanten und geraden Linien gemalt. Auch lernen 
wir hier schon jene perspektivische Eigenart kennen, die wir später noch ausführlicher 
untersuchen müssen. Das Bett ist von rechts oben aus der Vogelperspektive gesehen, 
so daß wir den Betthimmel von oben erblicken. Der Augpunkt ist nicht nach hinten, 
wie bei uns üblich, sondern nach vorn links verlegt, so daß die geraden Linien nach 
vorn zusammenlaufen. 
Die Bettszene läßt auch am deutlichsten die alte Tradition der naiven Sach- 
schilderung erkennen. Die Vorhänge sind durchaus störend, besonders die herunter- 
hängenden Bänder; das einfache Aufbinden oder Weglassen aus ästhetischen Gründen 
würde, da das Band in Wirklichkeit vorhanden ist, dem Wahrheitssinn des Chinesen 
nicht entsprechen. Derartige uns nebensächlich erscheinende Dinge, wie die Bänder 
des Bettvorhanges, erlangen in China eine historische Tradition und schließlich sym- 
bolische Bedeutung. Daher kommt es, daß sie noch heute, genau wie wir sie an den 
Vorhängen des Himmelbettes sehen, in Gebrauch sind, nur ist der ursprüngliche Zweck 
vergessen, und die Bänder hängen als Ornament in einer gedankenlosen Konvention. 
Die grünen, aufgebundenen Bettvorhänge und das Bettgestell mit teilweise purpur- 
farbenem Anstrich sind in feiner Farbenharmonie als Grundton abgestimmt, aus 
denen die schwarzen Haare und Schuhe und die roten Bandstreifen an der Draperie 
belebend hervortreten. Nicht nur die Form, sondern auch die Farben Grün und Rot 
werden noch heute in glückbringender Symbolik an modernen Bettdraperien verwendet. 
In der Mitte der Bildrolle ist eine L andschaft, die völlig aus dem Rahmen 
des übrigen Bildes zu fallen scheint. Zerklüftete, hochragende Felsen, die von Hasen 
und Tigern belebt sind — aber welche primitive Ausführung! Chang Yenyuan, !) 
ein chinesischer Kunstkritiker aus der Tangzeit, sagt von den Landschaften bis zum 
6. Jahrhundert, daß die Berge steil gezeichnet wären wie „Haarnadeln und Kämme‘‘, 
die damals in Berg- und Wolkenornamenten aus Metall geschnitten wurden, ?) 
„‚die Wasser so langweilig, daß sie keine Spur von Kraft und Leben der Natur zeigten, 
1) Seiichi Taki, On Chinese landscape painting. Kokka, Heft 193. 
2) Abbildungen s. Ba. II, Kapitel über Metallarbeiten. 
    
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