138 Verschiedene Dynastien — 3. bis 7. Jahrhundert
Daß in Turkistan die Kunst schon in hoher Vollendung entwickelt war, als
im Osten eine konventionelle Nachformung aufkam, können wir am besten
durch Gegenüberstellung gleicher Sujets aus den verschiedenen Ländern erkennen.
In Turkistan ist der siegreiche Himmelsgeneral (Abb. 99) als Porträt eines
Fürsten in zeitgenössischer Tracht realistisch dargestellt. Seine Füße stehen
in altorientalischer Auffassung zum Zeichen der Herrschaft auf dem ge-
fesselten Halbgott Yakscha, dessen
barbarischer Kopf mit gekräuselten
Haaren und großen, fletschenden
Zähnen nach der Natur studiert ist.
Hierbei mag es fraglich sein, ob die
übertrieben hervortretenden Zähne der
Wirklichkeit entsprechen oder etwas
Dämonisches ausdrücken sollen, oder
ob nicht vielmehr eine künstlerische
Wiedergabe jener Wirkung angestrebt
ist, welche durch”den Gegensatz der
Farben die weißglänzenden Zähne bei
schwarzer Hautfarbe erzielen. Die Ver-
zierung an den Armbändern kennzeich-
net den begüterten Führer der Feinde.
Die Ausführung läßt es fraglich er-
scheinen, ob schon eine Tradition für
die Darstellung des Himmelsgenerals
bestand oder ob die Künstler Turkistans
unter dem naturalistischen Einfluß der
römischen Antike zum ersten Male eine
Personifizierung des Gottes ausführten.
Jedenfalls blieb diese Auffassung
für den Osten maßgebend, denn Jahr-
hunderte später finden wir im fernen
Japan in altem Klosterbesitz eine Holz-
figur (Abb. 100), die uns das lebendige
Vorbild Khotans im konventioneller
uno Yaararans Gap Bitemen dien; Kabere) Umformung zeigt. Aus dem Porträt
Lederpanzer mit rotblau und rotgrün gefärbten Metall- ist eine stulisierte Kultfigur geworden.
Pelier Im Lahore-Mussum), Lederstiefel. Stehend aut Der Mit aufgenähten Metallschuppen
N ee
wahrscheinlich 4. Jahrh. ornamentierten Flächenfüllung gestaltet
een) und der turkistanische Lederschuh zum
chinesischen Filzschuh umgeformt, wo-
raus wir deutlich den Weg über China ersehen. Die schlanke Taille und die Embleme
sind spätere Zutaten der buddhistischen Kultfiguren. An Stelle des gefesselten
Feindes sind Geister geschnitzt, die in der Kopfform ebenfalls einen dämonischen,
fremdländischen Typus zeigen, aber statt des einzelnen, charakteristischen Menschen
sind typische Figurenköpfe gewählt; auf anderen japanischen Statuen sind auch
einzelne Figuren dargestellt. Die naturalistische Ausführung in Turkistan, die noch
keinen chinesischen Einfluß erkennen läßt, deutet auf eine frühe Herstellung, viel-
leicht vor dem 4. Jahrhundert.
Ebenfalls an die Turkistan-Ornamentik erinnert uns eine Steinsäule
(Abb. 101) aus Korea, die in schönen Linien nach der Form einer Steinlaterne ge-
meißelt ist. Der Sockel zeigt den griechischen Stil der umgelegten Akanthusblätter