148 Verschiedene Dynastien — 3. bis 7. Jahrhundert
morgenländischen Panzer sicher einen Perser 1) darstellen soll. Interessanter
ist der in der oberen Ecke befindliche Kopf mit dem gleichen Schnurrbart
und Augenbrauen, die aber gar nicht zu dem übrigen Gesicht stimmen und
offenbar nur als fremdländische Abzeichen hinzugefügt sind. Die roten Flammen-
haare, die großen eckigen Augen, die hervortretenden Zähne, das kräftige Kinn
zeigen typische Eigenarten, die sich für gewisse Götter bis zur Neuzeit erhalten
haben. Derartige Sonderlichkeiten sind niemals zufällig oder aus freier Phantasie
seschaffen, sondern wie alles in der bildenden Kunst stets ursprünglich der
Natur abgelauscht. Erst später durch Kopien nach Kopien arten sie zu sinnlosen
Figuren aus oder wurden bei Übertragung auf andere Völker aus Unkenntnis des
Vorbildes völlig mißverstanden wiedergegeben und dann zu einer mystischen
Symbolik gestaltet. So glaube ich auch, daß der charakteristische Typus, der
so augenfällig von allen Darstellungen mongolischer Köpfe abweicht, aus fremd-
ländischen, mißverstandenen Vorbildern entstanden ist.
Welches Volk bildete das Vorbild? Forke hat auf seinen Reisen im Innern
Chinas wiederholt moderne Bilder angetroffen, auf denen an den blonden Bärten,
den enganschließenden Beinkleidern, roten Westen und Spazierstöcken mit Sicher-
heit Europäer zu erkennen waren. Alle diese in China unbekannten Sitten waren
als typisch für die fremde Rasse besonders deutlich ausgeführt, und alle Bilder
hatten dabei abschreckend häßliche Gesichter. ‚Diese Gauner- und Verbrecher-
physiognomien sind aber nicht etwa als Karikaturen aufgefaßt, sondern dem Chinesen,
dessen Gesichtszüge mehr abgerundet und verschwommen sind, erscheinen die
Europäer mit etwas markanten Zügen wirklich wild und bösartig aussehend.‘“ Die
Ausdrucksfähigkeit im Mienenspiel des Gesichts ist dem Chinesen genau so fremd-
artig und erscheint ihm so spezifisch europäisch , daß er sie als das meist
charakteristische Moment genau so betont, wie in der Zeit der Chimoiserie ın
Europa im 18. Jahrhundert bei der Darstellung von Chinesen Phantasiegestalten
gemalt wurden, bei denen der Zopf und der spitze Hut als das Erkennungs-
merkmal galten. So wie die europäischen Künstler, im Bestreben, Chinesen dar-
zustellen, in Wirklichkeit Karikaturen zeichneten, so auch hier.
Wenn wir unter diesem Gesichtspunkt den Kopf auf der Tafel I ansehen
und ähnliche Darstellungen, z. B. aus Turfan, zum Vergleich heranziehen (Abb. 108),
so scheint es nicht unwahrscheinlich, daß ursprünglich arische Köpfe das Vorbild
in der Natur gewesen sein dürften und in der Wiederholung der Ausdruck immer
übertriebener und grausiger wurde, bis er schließlich mit dem Symbol der Dämonen
identifiziert wurde. Die großen Pupillen, umgeben von der breiten Fläche des
Weißen im Auge, die gerade Stellung, der Überbau der Stirn, sowie die buschigen
Augenbrauen geben in stilisierter, eckiger Übertreibung tatsächlich den wesentlichen
Unterschied zwischen arischen und mongolischen Augen wieder.
Das energische, vorgestreckte Kinn mit dem breiten Munde, ebenso wie die
stark hervortretende oder eingedrückte Nase (Abb. 108) bilden so ziemlich den größten
Gegensatz zum mongolischen Schönheitsideal des chinesischen Malers. Dagegen
scheinen mir die fletschenden Zähne (Taf. I) eine malerische Wiedergabe der starken
Wirkung der weißen Zähne bei der schwarzen Rasse (S. 138) und nur zugleich mit dem
westlichen Schnurrbart zur Steigerung des Dämonischen an dem Kopfe vereint zu
sein. In diesem Zusammenhange ist es auch durchaus möglich, daß die rote Farbe
der Haare ursprünglich Blond darstellen sollte, wie noch heute blonde Menschen
1) Stein, Ancient Khotan, Tafel LX und LXI. Auf einer Fahne aus den Ruinen
zu Dandan-Uiliq ist auf einer Seite eine chinesische-Buddhafigur und auf der anderen
ein eleganter Perser mit Vollbart und langem Schnurrbart in persischem Gewand mit
hohen Stulpenstiefeln gemalt.