Tangstil — Bildhauerei — Felsreliefs — Naturalismus
Bildhauerei
Der Begründer der Tangdynastie vereinte das Nord- und Südreich wieder zu
einem einheitlichen Staate und verlegte seine Residenz nach Honan, der alten Haupt-
stadt der Nordwei, wo in der Nähe die Höhlentempel von Longmen mit ihren
zahlreichen Felsreliefs (Abb. 89)
waren. Der Tangkaiser folgte dem
älteren Beispiele und vermehrte
die Zahl der Felsmeißelungen
durch Reliefs, die einen
eigenen, neuen Kunststil auf-
weisen.
Die Felsreliefs des 5.und
6. Jahrhunderts erinnern in den
Körperstellungen und Attributen,
in der Nachahmung der Holz-
umrahmungen und der Gewan-
dung an den gräko-indischen
Gandharastil, der über Zentral-
asien, und an den indischen Stil,
der vom Süden zu Wasser ein-
geführt war. Die chinesische
Verarbeitung klebt noch ängst-
lich an der fremdländischen Tra-
dition. Die Gesichter sind völlig
stilisiert, es sind Göttertypen ohne
Spezialisierung des Ausdrucks.
Die einzelnen Gestalten sind noch
nicht mit Bewußtsein zu unter-
scheiden, sondern alle galten
damals als Darstellungen des
Gründers der Lehre, wenn auch
das Vorbild vielleicht Bodhisat-
vas, Maitreya oder andere Heilige
dargestellt hat. Daher ist es sehr
schwierig, oft unmöglich, die
einzelnen Figuren der frühen
. a Abb. 122 u, 123 Zwei der sechs Lieblingspferde des Kaisers Tai-
Zeit zu erklären. tsong (627—649), die er vor seiner Be in et
: ra se z ten geritten hatte. Die Inschriften geben bei jedem Pferde die
In der Tangzeit beginnt ei Fänien- Farben, Art der Verwundung und bei welehem Siege
Naturalismus die erstarrte Kon- geritten. 122 Verwundet am Hinterschenkel. — 123 Krieger
5 s in Waffen zieht Pfeil aus der Brust nach der Eroberung von
vention zu beleben. Das silt SO- Tungtu, der Hauptstadt von Honan. — Steinplatten von je 2m
. . . “ ä 6 Höhe, Relief 10 em tief, Grabmal des Kaisers
wohl für die Sujets als auch für Tinse, 1.00 m Höin. one. Mitte 7. Jahrh.
die Ausführung. Prozessionen von (Aus: en a dans la Chine
Männern (Abb. 120, 121) und Text s, 8. 162
sogar von Frauen, vielleicht die
Stifter der Bildwerke, bewegen sich in ehinesischer Tracht, in lebendiger Pose
des feierlichen Aufzuges, mit Blumen und Palmenwedeln, zwischen den Götter-
gestalten. Der Malerei ist die geschickte Komposition und das Dreiviertelprofil
nachgeformt. Die harten Relieflinien sind weichen Formen gewichen. Die
Gewandung zeigt im kalligraphischen Schwunge fließende Linien, wenn auch der
griechische Faltenwurf noch als Grundschema zu erkennen ist. Die Köpfe sind
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte un