Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
     
  
    
Abb. 124 Torwächter, Felsrelief in den Grotten 
von Longmen bei Honan,, 672—675 
(Aus: Chavannes, Voyage arch&ologique dans 
la Chine septentrionale, 1909) 
Text s. S. 164 
  
Bd. I, Abb. 18. 
  
162 Tangzeit (618—960) 
Porträts, verschieden in Form und Ausdruck. Mit besonderer Kunstfertigkeit ist 
die Tiefenwirkung der hintereinander stehenden Menschen erreicht. 
Die Tangkünstler des 7. Jahrhunderts beherrschen die Menschenform, aber 
die Berge (Abb. 120 oberer Rand) werden 
noch nach dem alten Schema in fast orna- 
mentaler Weise behandelt. Dagegen ist die 
Darstellung der Pferde besonders gepflegt, 
und aus ihr können wir vielleicht einen Rück- 
schluß auf die verloren gegangenen Werke 
des gefeierten Pferdemalers Hankan, den wir 
später kennen lernen werden ($. 182), ziehen. 
Am Grabmal des Kaisers Taitsong (627—648) 
sind die sechs Lieblingspferde (Abb. 122, 123) 
verewigt, die ihn als Prinz in den Schlachten 
zum Siege geführt haben. Alle Pferde sind 
verwundet und in verschiedenen Bewegungen 
dargestellt. Ein Pferd steht ruhig, und ein 
Krieger zieht‘ den Pfeil aus der Brust, zwei 
traben und drei sind im fliegenden Galopp. }) 
Die letztere Darstellung zeigt immer 
wieder, wie ein einmal eingeführtes Vorbild 
zwar in der Ausführung modifiziert, aber 
niemals beseitigt wird. Wir. hatten den 
mykenischen Stil des ‚fliegenden Galopps“ 
bereits kennen gelernt (8.55). Da ın 
Wirklichkeit die Stellung der vier gestreckten 
Beine nicht vorkommt, so konnte man an- 
nehmen, daß die Naturstudien dem sonst so 
scharfen Auge des Chinesen die Unrichtigkeit 
gezeigt hätten. Vielleicht wirkte die Gewohn- 
heit suggestiv, aber wahrschemlicher ist, daß 
überhaupt kein Bestreben bestand, eine 
naturwissenschaftlich ‘exakte Tierbewegung 
zu geben, - sondern die Impression des 
Schlachtrosses in der schnellsten Gangart. 
Und diese nimmt das Auge. nicht in den 
nacheinander eintretenden Einzelbewegungen 
wahr, sondern in den sich am häufigsten 
wiederholenden, die sich der Netzhaut als 
beharrendes: Bild einprägen. Unter diesem 
Gesichtspunkte ist die objektiv falsche Bein- 
bewegung der galoppierenden Pferde die 
subjektiv richtige Darstellung. 
Auch nach einer anderen Richtung sind 
diese Pferdeskulpturen ‚sehr. interessant, da wir Sattel und Steigbügel ab- 
gebildet finden. Die Reiter der alten Welt von Ägypten bis zur antiken Klassik 
saßen ohne Halt für die Füße auf dem ungesattelten Pferde. Allerdings ist der 
Steigbügel ‚schon einige. Jahrhunderte vor. unseren Steinreliefs in Ostasien bekannt 
gewesen, denn auf einem: tönernen Pferd, einer Totenbeigabe, in den Dolmen Japans 
1) Abbildung aller sechs Pferde nach gravierter Steinkopie in Bushell, Chinese art,
	        
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