Einfluß auf Westasien — Karikatur — Literarische Berichte 177
haben. Allerdings sind Bilder erst aus der Mongolenzeit erhalten, so daß wir
über die Kunst Persiens in der Tang- und Sungzeit keine bestimmte Vorstellung
haben.
Eine Malerei in schwarzer Tusche auf einer uigurischen Handschrift mit einer
ganz merkwürdigen Gestalt ist in Turkistan ausgegraben worden (Abb. 138). Die
Perücke mit hohem Federschmuck läßt nur undeutlich den Kopf erkennen, aber
bei genauerer Untersuchung sehen wir, auf der Brust sitzend, das Gesicht mit
weitgeöffnetem, breitem Munde und breiter Nase. Diese lustige Karikatur ist
deshalb so sehr interessant, da ähnliche Kopfdarstellungen auf japanischen vulgären
Holzschnitten häufig vorkommen und — wenn auch künstlerisch besser ausgeführt —
in China nicht unbekannt sind (Abb. 196—198). Derartige volkstümliche, humorvolle
Szenen sind wahrscheinlich häufig gemalt, aber
nicht wie die Kultbilder aufbewahrt worden, so
daß sie sehr selten gefunden werden. Daß auch
in China der Sinn für Karikaturen bestand, ist
schon deshalb wichtig, festzustellen, da wir daraus
schließen können, daß die Japaner — wie auf
allen anderen Gebieten der darstellenden Kunst —
nicht die Erfinder, sondern nur die Bewahrer
der chinesischen Vorbilder waren, so daß wir aus
den japanischen Nachformungen einen Rück-
schluß auf die chinesischen Originale ziehen
können. Bei den Bildern von Li Lungmien
(Abb. 163—167) und Liang Kai (Abb. 196) in
der Sungzeit werden wir auf den Humor in der
Kunst zurückkommen.
Aus diesen wenigen, erhaltenen Bruchstücken
bekommen wir vielleicht einen Anhalt für ein-
zelne Stilarten, aber gar keine Vorstellung von
dem künstlerischen Wert der Bilder. Je weniger
Originale erhalten, um so ergiebiger sind die
literarischen Quellen.!) Viele hundert
Namen sind aus der Zeit der Tang und der fünf
Dynastien in den Annalen der chinesischen Kunst- Abb.138 Dämon, Tuschzeichnung in uigu-
. E . . rischer Schriftrolle, gefunden in Ruine «
geschichte überliefert, aber von den vielen tau- bei Idikutshari,, Turfan
send Originalen und von den meilenlangen be- ne Arbeiten! nn et
malten Tempelwänden ist nichts erhalten. Um Akademie der Wissenschaften, Taf. XII)
uns eine wenigstens allgemeine Vorstellung von
einzelnen Künstlern zu machen, müssen wir spätere Kopien oder Stilbilder zu
Hilfe nehmen. Dieses Schicksal der völligen Vernichtung hat gerade die Werke
der Meister getroffen, deren Ruhm niemals in China erblaßt ist, und deren An-
denken heute noch im Volke gefeiert wird.
Wie uns der Ruhm von Apelles hinterlassen ist, aber keines seiner Werke, so
spricht der heutige Chinese von jenen gefeierten Künstlern der Tangzeit. Und wie
die berühmten Gemälde eines Apelles als kostbarste Schätze der antiken Kultur
von römischen Kaisern aufgekauft wurden und ihre Ausführung den Malschulen
der Nachfolger als nachzustrebendes Ideal galt, so sind auch die Werke der Tang-
maler jahrhundertelang gesammelt worden und für ganze Malschulen vorbildlich
1) Die folgenden Angaben chinesischer Autoren sind entnommen: Giles, History
of Chinese pictorial art, Shanghai 1905 — Hirth, Scraps from a collector’s note book
being notes on some Chinese painters of the present dynasty. Leiden 1905.
Münsterberg, Chinesische Kunstgeschichte 11%