Originale — Wu Taotze, der größte Maler — Buddhabild — Impression 179
Schülern und Heiligen und der ganzen Tierwelt, die weinend und heulend den Tod
betrauern. Eine Kopie dieses Bildes soll im Manjujitempel bei Kyoto sein, und
Anderson sowie Carus geben interessante Abbildungen von Kopien nach diesem
in Japan berühmten Bilde.!) Vielleicht mag die allgemeine Komposition eine
oberflächliche Ähnlichkeit mit dem Original gehabt haben; die Ausführung gibt
jedenfalls keinen Anhalt für den Stil von Wu.
In dem Katalog der berühmten Gemäldesammlung des Kaisers Huitsung
(1101—1126) werden 93 Titel von Wu’s Bildern aufgeführt, aber jede ästhetische
Würdigung oder Abbildung fehlt. Der chinesische Schriftsteller Su Tungpo be-
richtet aus dem Jahre 1085 — nach der Übersetzung von Hirth —, daß echte Werke
von Wu Taotze bereits damals so selten waren, daß nur eines oder zwei zu finden
seien. Hiernach erscheint es sogar zweifelhaft, ob die stattliche Anzahl in der
späteren Kaisersammlung von Huitsung wirklich aus lauter Originalen bestanden
hat. So bleibt uns als Quelle für die Erkenntnis des künstlerischen Stiles seiner
Bilder nichts weiter übrig als einige Anekdoten, aus denen Rückschlüsse gezogen
werden können.
Wenn wir hören, daß er (720) das Porträt eines Generals malte, in dem das
Modell nicht saß, sondern ‚einen Schwertertanz‘‘ aufführte, so erkennen wir ein
bewußtes Sichlossagen vom akademischen steifen Stil. Im Sinne der Kunstgesetze
von Hsie Ho aus dem 5. Jahrhundert (8. 124) brachte er den Rhythmus der Bewegung
zum Ausdruck; eine naturalistische Ausführung, die aber sicher die Konvention des
schönen Linienflusses nicht vergessen, sondern nur belebt und veredelt haben dürfte.
Nicht das sachliche Detail, sondern den Eindruck des kraftvollen Kriegers in ele-
ganter Bewegung strebte er an. Schon die Tatsache der besonderen Erwähnung
zeigt das Neue in der Auffassung.
Ein anderes Mal sandte ihn der Kaiser an den Chialingfluß, um die dortige
Gegend für eine Halle des Palastes zu malen. Wu kam wieder und hatte keine Skizze
mitgebracht, er malte aus dem Kopf ‚in einem einzigen Tage hundert Meilen der
Landschaft‘. Ein Zeitgenosse von Wu war Li Ssuhsün, der ebenfalls für Landschaften
sehr berühmt war. Er hatte den Auftrag, eine andere Halle auszumalen, und saß
monatelang an seiner Arbeit. Als dann der Kaiser beide Bilder besichtigte,
fand er, daß „Li’s monatewährende Arbeit und Wu’s Bild von einem Tage beide
hervorragende Kunstwerke seien“. Auch hier sehen wir den Gegensatz der alten
Schule, die sorgfältig ausführt, mit der flotten Skizzenart der „Modernen‘“ der
damaligen Zeit. Werden wir nicht an den berühmten Streit von Ruskin und
Whistler erinnert, als der letztere angeklagt wurde, das Publikum betrogen. zu
haben, da er hohe Summen für Bilder verlangte, die nur wenige Stunden Arbeit er-
fordert hatten! Wu Taotze malte wie Whistler nicht den Reichtum der Einzel-
heiten, sondern er verstand es, mit meisterlicher Pinselführung die Effekte der
Gesamtwirkung hervorzuzaubern. Seine Fresken werden von den chinesischen
Kunstkritikern oft als Tuschskizzen bezeichnet, die mit fabelhafter Schnelligkeit
und größter Sicherheit hingesetzt wurden. ‚Wie ein Wirbelwind fuhr seine Hand
umher und malte mit wenigen sicheren Strichen die Gloriolen der Heiligen“,
während bisher Zirkel und Maßstäbe gebraucht worden waren. Diesem künst-
lerischen Entwicklungsgange von der alten Tradition zum ,‚Modernen‘“ ent-
sprechend, verwendete er in seiner Jugend Pinsel mit feiner Spitze und später
solche wie ‚„Kohlköpfe“.
Hieraus können wir entnehmen, daß Wu Taotze der Begründer jener
1) Anderson, Pictorial arts of Japan — ebenfalls in Hirth, Sceraps from a colleetor’s
note book, — Lichtdruck bei Carus, The Buddha’s Nirvana, by Wu Taotze, auch Holz-
schnitt bei Carus, Chinese art, The open court, 1908, Bd. XXII, Heft 6,