Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

  
Ill. Fremde Religionen und Völker 
In der Hanzeit war China in den allgemeinen Weltverkehr eingetreten. 
Seine Produkte gingen durch Zwischenhände bis nach Europa, und umgekehrt waren 
viele Erzeugnisse und Sitten aus den Ländern am Mittelländischen Meer nach 
China gedrungen. Ein direkter Verkehr mit zahlreichen Völkerschaften Asiens be- 
stand, und die zwei mächtigsten Staaten der damaligen Zeit, an den Endpunkten 
der alten Kulturwelt gelegen, waren in Berührung getreten: Rom und China. 
Roms Macht war dahingesunken. Neue Staaten hatten sich gebildet und waren 
wieder zerfallen. Völkerschiebungen hatten die ganze Welt von Ost bis West in Auf- 
ruhr und Kampf versetzt, und junge Kräfte traten die Erbschaft der durch Über- 
kultur entnervten Völker an. Alle Wirren und Kämpfe hat nur ein einziges Reich 
in der Welt überlebt, das alte China, das in verjüngter Kraft, mächtiger als je 
zuvor, bestehen blieb. Das starke, geeinte Reich unter der Tangdynastie pflegte 
wieder den Welthandel, und zahlreiche Völkerschaften schickten Gesandte oder 
waren durch Handelsstationen und Ansiedelungen vertreten. Die Karawanen- 
straßen verbanden ganz Asien von Ost bis West, und der Seeweg diente dem 
Verkehr im Süden. 
China war wesentlich größer als zur Römerzeit. Ungeheure Strecken von 
Mittelasien, die von den verschiedensten Rassen, selbst blauäugigen Ariern, bewohnt 
wurden, waren erobert; Steppenbarbaren im Westen und Norden hatten Grenz- 
staaten errichtet, die China anheimfielen, und der ganze Süden mit seiner Urbevöl- 
kerung war bezwungen. Dazu kamen zahlreiche Einwanderungen, da besonders die 
weiten Steppenländer im Westen stets Platz für Kolonisierung boten, während in 
den Handelsplätzen sich Fremde aus der ganzen Welt niederließen. Chinas kluge 
Verwaltung verstand stets mit größter Duldsamkeit die verschiedenen Elemente 
zu vereinen; allerdings wurden fast beständig Strafexpeditionen und oft grausame 
Niedermetzelungen unternommen, aber bei der ungeheuren Ausdehnung des Reiches, 
einer Bevölkerung von mehreren hundert Millionen Menschen und dem langsamen 
Verkehr will das nicht viel sagen; auch gilt dem Asiaten sein Leben nicht viel. Die 
gemeinsame Regierungsform, Sprache und Literatur verband die Stämme und Völker, 
im übrigen war völlige Freiheit in allen Sitten und Anschauungen, die in jeder Provinz 
verschieden waren; vor allem herrschte eine völlige Glaubensfreiheit. 
Die alte Ahnenverehrung und die Anbetung der Natur, der Erde und des Him- 
mels, der Berge und Flüsse wurde nicht beseitigt, als man im 2. Jahrtausend v. Chr. 
begann, den Gott Shangti zu verehren; vielmehr fügte man den neuen Gott als obersten 
der Götter dem alten Systeme ein. Als die Philosophie des Laotze zum Taoismus 
ausgebildet und dann die Lehren von Konfuzius zu einem System erhoben waren, 
nahm man die neuen Glaubensarten einfach hinzu und überließ jedem, selbst zu be- 
stimmen, was er glauben wolle. Diese Toleranz war um so leichter, als es eine eigene 
Staatsreligion nicht gab. 
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
	        
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