198 Fremde Religionen und Völker
einfluß war nur oberflächlich. Die Chinesen lernten den Fassadenbau in Stein 1)
und die Malerei mit Ölfarbe in europäischer Perspektive und Schattenwirkung,
aber sie imitierten nur als Kuriosität das Fremdländische, ohne in den Geist
tiefer einzudringen.
Auch dieser Aufschwung des Christentums wurde im 18. Jahrhundert durch
Verfolgungen unterbrochen. Wenn politische Ränke als Ursache vorgeschoben
wurden und man in den Missionaren die Vorboten fremder Eroberer sehen wollte,
so war doch der wesentliche Grund in der geringen Anpassungsfähigkeit der
christlichen Lehren an die geheiligten Sitten und die Ahnenverehrung. Konnte
man Konfuzianist, Taoist und Buddhist gleichzeitig sein, so verbot die Unduld-
samkeit der Missionare, das Christentum den alten Sitten anzupassen.
Ein Bericht eines Nestorianers aus dem Jahre 762 über seine Erfolge bei
den Uiguren ist charakteristisch: „Wiederholt bedauerten wir, daß ihr früher
unwissend waret und die Geister Götter nanntet. Jetzt seid ihr schon zur wahren
Erkenntnis gekommen.“ „Die herkömmlichen, geschnitzten und gemalten Ab-
bildungen der Dämonen sollt ihr alle verbrennen.“ „Das Beten zu den Geistern
und de Anbetung der Dämonen sollt ihr beides verwerfen und die Lehre des
Lichtes annehmen.“ Das war die Sprache, mit der die Künder von der Lehre der
Liebe glaubten, das mächtige Volk der Chinesen, dessen Bildung auf den vor-
christlichen alten Klassikern und deren Moral, sowie auf der Verehrung seiner
Vorfahren beruhte, bekehren zu können!
Hatten die Jesuiten mit großem Geschick wenigstens .ı das Christentum
den chinesischen Sitten anzupassen, so waren es Fanatiker in- Rom, die statt
des christlichen Glaubens die Beachtung der Formen ver er Er die Jesuiten
anklagten. Eine große Literatur in Europa beschäftigte sich mit den Fragen, was
erlaubt und was eine Verletzung der Religion sei. Inzwischen aber ging das Werk
der Jesuiten verloren. In Peking wurden zwar einzelne Christen, meist Russen,
für wissenschaftliche Arbeiten und als Dolmetscher geduldet, aber die Bekehrung
hörte auf. Dazu kam, daß die Französische Revolution und ihre Folgen das Interesse
Europas von Ostasien ablenkte.
Judentum’)
Als Mattheus Ricci in Peking war, besuchte ihn (1603) ein Jude aus Kaifangfu,
der zum Doktorexamen in der Hauptstadt weilte, in der Hoffnung, einen Gl aubens-
genossen zu finden. Er erzählte, daß der Pentateuch in seiner V aterstadt bekannt sei,
und dort ebenso wie in Hangtshou zahlreiche Juden ansässig seien. Da Ricci nicht
selbst reisen konnte, schickte er den Jesuiten Aleni (1613) ın die Hauptstadt von Honan,
der dort eine Synagoge mit hebräischen Schriftrollen. die die Priester lesen konnten,
und eine Gemeinde von etwa 500600 Köpfen mit eigenartigen Gebräuchen vorfand.
Wann und woher die Juden kamen, steht nicht fest. Favier 3) weist darauf
hin, daß chinesische Geschichtschreiber von Menschen berichten, die unter Kaiser
Ching Wang aus „Ni-li“ nach China kamen und diese vielleicht Juden vom „Nile
aus Ägypten gewesen sein können. Nach derselben Quelle soll es jedenfalls fest-
stehen, daß unter der Choudynastie (bis 249 v. Chr. ), wahrscheinlich zur Zeit Nebu-
k a Juden nach China gekommen sind.
Verschiedene Insc hriften, die von einander abweichende Angaben enthalten,
2) Aalen vgl. Kapitel über Architektur in Bd. II.
2) Die umfangreiche Literatur zusammengestellt in: The Jewish Eneyclopzdia,
Funk-Wagnalls Co., London 1907, Bd. IV, 8. 33—38, — Yule, The book of Ser Marco
Polo, 2. Ausgabe, aan 1903, Ba. I, S. 346—47,
3) Favier, Di S. 34.