Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

     
200 Fremde Religionen und Völker 
rauchgefäß. Dort war auch der Platz, wo den Schlachttieren nach alter Sitte die 
Sehnen ausgerissen wurden. 
Mitten in dem Betraum (Abb. 161) stand der ‚Thron Moses“, ein kunstvoll 
geschnitzter Stuhl mit gesticktem Kissen zum Auflegen der Schriftrolle, und über 
ihm ein Thronhimmel, an dem die Tafel des Kaisers Yunglo angebracht war. Auf 
einem Tisch standen sechs Leuchter um ein Weihrauchgefäß, und an den Wänden 
hingen lange Holztafeln mit den zehn Geboten in goldenen Lettern. An Stelle 
der Tieropfer wurden nach chinesischer Sitte Räucherkerzen verbrannt. 
1850 war die Synagoge noch vorhanden, aber in der Taipingrevolution 
(1853— 1864) wurde sie völlig vernichtet. Die Gemeindemitglieder sind zerstreut, 
die Schriftgelehrten des Hebräischen verstorben. Heute sind nur noch 
wenige arme Juden ansässig, die mit Chinesinnen verheiratet sind und keine 
Versammlungen mehr abhalten, so daß die Kinder kaum mehr eine Erinne- 
rung an die durch 1800 Jahre bewahrte 
Tradition haben. Die Steintafel von 
1489 steht einsam aufrecht zwischen 
Trümmern. 
Aus dem Westen brachten die 
jüdischen Familien Baumwollzeug, aber 
keine Kunstwerke. An eigenen Kult- 
geräten besaßen sie nichts anderes als 
die hebräischen: Schriftrollen. Der Jesuit 
Alenı (1613) fand die fünf Bücher Mosis 
in hebräisch, deren Wortlaut mit der 
europäischen Ausgabe von Plantin genau 
übereinstimmte. Aber die Rolle war 
frühestens 1461 oder nach anderer Angabe 
noch später durch Mohammedaner in 
Shensi von einem Israeliten erworben. Zer- 
schnittene Teile der letzten Rolle wurden 
1850 verkauft und sind nach Europa 
Abb. 160 Die jüdische Tempelanlage zu Kaifangfu, gekommen. 
mit Höfen, Toren und dem heiligsten Tempel, s ae Be Br 
nach einer Skizze der Jesuiten. Domengo und Die Inneneinrichtung, sowie der Bau 
Brucker, errichtet 1279, restauriert 1489 und 1653 des Gotteshauses war chinesisch und 
(Aus: Adler, Chinese Jews, Oxford, Juni 1900) . i S £ 
Text s. 8.199 zeigte keinerlei fremden Einfluß. 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
Lamaismus 
Im 7. Jahrhundert trat China mit dem buddhistischen Tibet zuerst in Be- 
rührung. Eine Tochter des Kaisers wurde an den tibetischen Fürsten verheiratet 
und später als „weiße Tara‘ unter die Götter versetzt. Die Nachkommen haben 
jahrhundertelang im Reiche geherrscht. 
Der Buddhismus entwickelte sich dort in ganz ungewöhnlicher Weise, die sonst 
nirgends in der Welt beobachtet ist. Die Bettlermönche der eigentlichen Lehre 
wurden zu einer Priesterkaste, welche die politische Herrschaft neben dem nominell 
bestehenden Herrscher ausübte. Sogar das Zölibat, eins der Grundgesetze Buddhas, 
wurde aufgehoben, um die Macht der Priesterkaste erblich zu machen. Im 13. Jahr- 
hundert unterstützte Kublai Khan die Hierarchie und verlieh einem berühmten 
Klausner besondere Ehrentitel. Die Priester, an ihren roten Röcken und Mützen 
erkenntlich, kamen oft nach Peking, durften dort Handel treiben und wurden von 
dem Kaiser .mit Titeln belehnt, obgleich eine politische Oberhoheit Chinas eigent- 
  
    
  
  
  
  
  
    
  
   
      
    
    
   
    
    
  
  
    
     
     
  
   
  
  
  
  
  
     
   
     
   
	        
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