2928 Sungzeit (960— 1280)
Die Treue nach der Natur galt nicht als das All und das Ende der Kunst.
„Die fein abgestimmte Vermischung des Beobachteten und des Erdachten oder Emp-
fundenen — sagt ein chinesischer Kritiker — ist schließlich das Geheimnis des künst-
lerischen Erfolges. Studiere beides, die Wirklichkeit, das Existierende und das Nicht-
N seiende, wähle eines oder das andere mit Geschmack, und das Bild wird künstlerisch
\liı| wirken. Die Durchführung, die Auffassung, die Farbenharmonie und alles übrige
sind von verhältnismäßig geringerer Bedeutung, da sie von dem Künstler, der
Abb. 174 Winterabend am Fluß, Knabe auf Kuh im Wasser, zweite Kuh am Strand, in bräunlieh-grünlichen
Tönen, auf Seide, aus einem Bilderalbum, etwa 25 zu 17 cm, signiert: Hsia Cheng, zugeschrieben dem
Hsia Kuei oder dem Chi Tang
(Aus: Kokka, Heft 165) — Text s. S. 226
den wahren Geist der Kunst erfaßt hat, ganz natürlich wie von selbst gemeistert
werden.‘
Die japanische Kunstkritik nennt Ma Yuans Bild eines Anglers im Boot
(Taf. V, A) einen der edelsten Schätze der Weltkunst. Die Abbildung nach einem
farbigen Holzschnitt ist hart und entbehrt jener weichen Übergänge und zarten
Tönungen, die das Original sicher aufweisen wird. Wir können daher nur eine
Vorstellung von dem Inhalte, nicht von der Ausführung erlangen. Dieses Bild
ist immer und immer wieder kopiert oder, besser gesagt, nachempfunden worden.
So hat ein japanischer Meister wie Tanyu es genau abgemalt, und Kano Motonobu
hat mit kleinen Abänderungen die Grundidee wiederholt.