264 Mongolen- (Yuan-) Zeit (1280—1368)
Diese stark realistische Schule führte immer mehr dazu, die Schilderung der
Menschen und ihr häusliches Leben zu bevorzugen. So sehen wir eine Straßen-
szene dargestellt (Abb. 221). Diese Art Genrebilder, die in der Mingzeit sehr
beliebt und mit großer Delikatesse ausgeführt werden, sehen wir hier in ihren
noch etwas plumpen Anfängen. Solange die Malerei die Kunst der Gläubigen
und Literaten war, würde ein derartiges Motiv kaum der Darstellung für würdig
gefunden sein; nur vornehme oder sinnvolle Szenen waren früher abgemalt.
Ein eigenartiges Porträt (Taf. IX, B) von vollendeter Schönheit wird Chien
Shunchü oder Hsüan zugeschrieben, den wir weiter unten (S. 273/6) als her-
vorragenden Blumen- und Tiermaler kennen lernen werden. Ob dieses Bild von
Abb. 221 Straßenhändler, leicht gefärbte Malerei auf Seide, etwa 27 em hoch,
von Jen Kangmin, unbekanntem Maler, Yuanzeit, 1250—1368
(Aus: Tajima, Seleeted relies of Japanese art, Bd. XVI)
ihm ist, ist ebenso zweifelhaft wie die Zeit der Entstehung. Die elegante Silhouette
der Figur, die porträtmäßige Ausführung im Profil, die Feinheit des Farbenakkordes
erinnern an persische Miniaturen. Wie wir schon sahen (S. 255), ist es aber durchaus
fraglich, ob Persien schon vor der Herrschaft der Mongolen, also vor dem
chinesischen Einfluß, eine derartige Kunst besessen hat. Es ist eine Weichheit
und Lieblichkeit in Linien und Farben und eine Vornehmheit in der Haltung,
die wir bisher in China nicht kennen gelernt haben und die später durch eine
mehr delikate Dekorationsmalerei (vgl. Taf. IX, C) verdrängt wird.
Der jugendliche Kaiser im langen roten Gewande trägt eine Flöte im Gürtel
und schiebt sich wahrscheinlich ein Futteral über den nach chinesischer Sitte lang
gewachsenen Nagel des kleinen Fingers. Der Hintergrund hellt sich von oben nach
unten auf, während das Rot des Gewandes umgekehrt nach unten dunkler getönt ist.
Die Flügel der schwarzen Lackkappe lassen das Rot des Kleides durchschimmern.