Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

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Allgemeines 
Die Beziehungen zwischen den einzelnen Völkern sicher festzustellen, ist | 
häufig schwierig, oft unmöglich, da durch veränderte Sitten spätere Umformungen | 
oder durch Eroberungen und neue Einwanderungen, durch Erdbeben oder Versan- | 
dungen eine völlige Zerstörung alter Kulturstätten in vielen Ländern erfolgt ist. 
In solchen Fällen können wir nur zwischen einzelnen entfernt liegenden Orten einen 
Zusammenhang aus Ähnlichkeiten der Fundstücke vermuten, ohne die Zwischen- | 
glieder nachweisen zu können. 
Die in den entferntesten Gegenden ausgegrabenen Schätze haben in ihren | 
Formen und Verzierungen einen oft überraschenden Zusammenhang zwischen alten | 
Kulturen in der ganzen Welt gezeigt. Je mehr wir den Schleier der Vergangenheit 
lüften, desto sicherer erkennen wir, daß es in der Weltgeschichte nur eine in sich 
zusammenhängende Kulturentwicklung gegeben hat, die in den verschiedenen Gegen- 
den, unter Anpassung an das natürliche und kulturelle Milieu der einzelnen Länder 
und Völker, selbständige Kulturgebilde bewirkt hat. Sitten und Techniken sind 
nicht so innig mit einer Rasse oder einem Volke verbunden, wie die körperlichen 
Rassenmerkmale, der Glaube und die Sprache, die auch in ihrer Umformung gewisse 
erkennbare Einzelheiten aus der Vergangenheit bewahren. Aus Ähnlichkeiten der 
Kunstformen oder Gebrauchsgegenstände ist daher keine Stammesverwandtschaft 
ohne weiteres zu folgern, sondern nur ein Kultureinfluß, der — wie wir im Laufe 
unserer Untersuchungen sehen werden — in China ebensowohl durch Kriegszüge 
oder Handelsverbindungen als durch Missionare oder einzelne zurückkehrende 
Reisende veranlaßt wurde. 
Wie heute die Völker Europas und Amerikas in regelmäßigem Austausch ihrer 
Kulturschätze stehen und ein abgeschwächtes Wirken bis in das Innere von Afrika 
) stattfindet, so dürfte auch in der alten Welt ein beständiger Einfluß der höheren 
Kulturvölker auf niedere, oft weit entfernt wohnende stattgefunden haben. Es ist 
daher richtiger, nicht von einzelnen Kulturvölkern, sondern von Kulturkreisen zu 
sprechen. Da nur zufällige Funde an einzelnen Orten uns die Kenntnis unter- 
gegangener Kulturkreise übermitteln, pflegen wir nach diesen Fundorten den be- 
treffenden Stil zu bezeichnen, ohne damit irgend etwas über seine Ausdehnung zu 
besagen. 
Die Erforschung der ostasiatischen Völker unter den verschiedensten Gesichts- 
punkten der Rasse, der Sprache, der Sitten, der Architektur, der Wafien, der Töpfe- 
reien und Gebrauchsgegenstände zeigt uns, daß verschiedene Völkerstämme nach- 
einander eingewandert sind bzw. verschiedene Kulturströmungen nacheinander 
eingewirkt haben. Jedenfalls hat jedes der einwandernden Völker und jede der 
einwirkenden Kulturen auf gewissen Gebieten der Kunst und Technik bestimmte 
Ausdrucksformen geschaffen, die einen Zusammenhang mit entsprechenden Kultur- 
. kreisen der alten Welt erkennen lassen. Es war und ist für den konservativen Geist 
der Ostasiaten bezeichnend, daß die einmal eingeführte Form und Technik als ge- 
heiliste Tradition immer wieder nachgeahmt und in übertragener Form noch heute 
erhalten ist. 
Durch eine Zusammenstellung der bisherigen Ergebnisse will ich den Nachweis 
versuchen, daß wiederholt Einflüsse westlicher Kulturvölker nach Ostasien gedrungen 
sind und die dortige Ausführung einen den lokalen Verhältnissen angepaßten Aus- 
klang der übertragenen Kunst darstellt. In der selbständigen Weiterentwicklung 
und der Vermengung der fremdländischen Anregungen ist die nationale chinesische 
Kunst entstanden. 
Wie auf der Erde Schichten verschiedener Materialien übereinander gehäuft 
sind und in ihrer Gesamtheit die heutige Erde darstellen, so bilden auch K ultur- 
schi cht en aus verschiedenen Zeiten in ihrer Zusammenwirkung die heutige Kultur. 
Und wie wir bei systematischer Erforschung finden, daß bestimmte Stoffe an ver- 
 
	        
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