274 Mongolen- (Yuan-) Zeit (1280—1368)
vermuten, der Gelegenheit hatte, derartige Modelle, die sicher nicht in der
Akademie zu finden waren, zu beobachten.
Die Ausführung seiner Bilder ist stets liebevoll und sorgfältig nach der Natur
studiert. Die saubere Ausarbeitung können wir auch aus einem der ihm zu-
geschriebenen Scherze ersehen. „Er borgte sich das Bild eines weißen Adlers,
kopierte es sorgfältig und behielt das Original, während er die Kopie zurückgab,
Abb. 238 u. 239 Lotuspflanzen im Wasser, farbig, etwa 1,3 m hoch, im Honpojitempel, Kyoto, Japan, zuge-
schrieben Chien Shunchü, Ende des 13. Jahrhunderts, vielleicht Mingzeit
(Aus: Tajima, Selected relies of Japanese art, Bd. IV)
ohne daß der Eigentümer es merkte.“ Nach unseren Begriffen würde eine derartige
Handlungsweise einen - glatten Betrug darstellen, aber die asiatische Auffassung
über Kopien und Künstlerscherze scheint eben anders zu sein; allerdings berichtet
der Historiker nicht, ob später ein freiwilliger Austausch stattfand. Jedenfalls er-
sehen wir aus dieser Anekdote, die als Ruhm für Chiens Geschick gedacht ist, daß
er kein Künstler war, der mit der flotten Hand des ungebundenen Genies seine Bilder
hinwarf, sondern mit großer Sorgfalt und Genauigkeit jede einzelne Linie formte.
So sind auch seine Bilder sehr sauber durchgeführte Arbeiten in lebendigen
Farben.