Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

   
Chien Shunchü — Blumenmalerei 275 
Das ihm zugeschriebene Porträt eines Kaisers (Taf. IX, B) haben wir bereits 
kennen gelernt und gewürdigt (8. 264), ohne einen Anhalt zu finden, daß es wirklich 
von ihm ist oder auch nur seinen Stil repräsentiert; vielleicht ist es eine Kopie 
nach einem Werke von ihm. Köstliche Blumenmalereien sind uns erhalten. 
Zweige mit üppigen Kamelienblüten (Taf. XI, B) sehen wir gleichsam in den 
Rahmen eines runden Fensters hineinragen. Die Bewegung der Stengel läßt die 
gemeinsame Wurzel der Staude, die nicht sichtbar ist, vermuten. Bei anderen 
Bildern ist die ganze Pflanze (Abb. 238— 240), wie sie aus dem Wasser und 
der Erde hervorwächst, dargestellt. Die gleiche Auffassung fanden wir schon bei 
Hsü Hsi (Taf. II) und späteren Malern (Taf. VI.  Abgeschnittene Blumen 
werden fast stets in 
Vasen gemalt, und dann 
sind es meist Lotus- 
blumen als Ehrung der 
Götter (Taf. III, 0). 
Der Chinese liebt 
nicht, wie wir, die ein- 
zelne Blume, sondern er 
sieht den lebendigen Zu- 
sammenhang der Pflanze, 
und wenn er einen Zweig 
oder einen Stengel malt, 
so läßt er sie am Rande 
anfangen, damit die Phan- 
tasie des Beschauers sich 
den ganzen Baum oder 
die Pflanze bis zur Wurzel 
hinzudenken kann; die 
abgeschnittene Blume war 
für ihn, wenigstens in 
alter Zeit, wie die abge- 
fallenen Blätter und 
Blüten ein Zeichen des 
Herbstes, des Verfalles. 
Chien Shunchü scheint 
der erste gewesen zu sein, Abb. 240 Heuschrecken, Melone und Pflanzen, Malerei in leichten Farben, 
der einen abgeschnittenen von Chien Shunchü, Ende des 13. Jahrhunderts 
Dis . Stil (Aus: Kokka, Heft 73) 
4Wweig — ım »til euro- Text 8.8. 276 
päischer Malerei — als 
Stilleben malte (Taf. IX, A). Auch soll er gerne einige Verse beigefügt haben. 
Die Ausführung ist vortrefllich und die Farben sind glänzend. Die ein- 
zelnen Blätter sind in realistischer Art ohne Rücksicht auf die Schönheit der Linien 
nach der Natur studiert und mit allen Schattierungen und Verkürzungen wieder- 
gegeben. 
War früher die Pflanze in ihrer rhythmischen Lebensbewegung (Abb. 203) 
nach der Natur kopiert, so ist jetzt der abgeschnittene Ast oder die einzelne Blume 
malerisch in den Bildrahmen eingefügt. Die Landschaften geben die Größe der 
Natur, die Blumen geben die Schönheit und Grazie der einzelnen Naturteile 
wieder. 
Die Lotuspflanzen (Abb. 238/9) werden von derjapanischen Kunstkritik unserem 
Maler zugeschrieben, während andere an der subtilen und eleganten Ausführung die 
Hand eines späteren Mingkünstlers erkennen wollen. Jedenfalls ist es ein vortrefi- 
  
     
  
  
  
     
    
     
    
   
   
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
    
    
  
   
   
   
  
  
   
  
  
   
  
  
   
  
  
  
   
	        
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