Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

    
EEE ET TIEREN 
    
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
      
Ornamente — Ahnenkultus 93 
dortigen Ähnlichkeit haben. Wie wir gleich sehen werden, decken sich beide 
Kulturen in vielen Beziehungen, aber natürlich nur so wie eine Kolonialkultur 
mit der des Mutterlandes. 
Aus den Gedichten.Homers kennen wir die Heldengestalten des 2. Jahrtausends, 
allerdings nur in der poetischen Schilderung des Dichters, „wie sie, nachdem alles 
vorbei war, den bewundernden Augen der Epigonen“ erschienen. 1) In der Mykenä- 
zeit gab es noch keine Darstellung von Göttern in menschlicher, tierischer oder kom- 
binierter Gestalt. ‚‚Herodot sagt geradezu, daß Hesiod und Homer den Göttern 
Namen und Gestalt gaben.“ Als aber Homer sang, da war China schon losgelöst vom 
fernen Westen, und daher ist keine Göttergestalt nach dem Osten gedrungen, bis in 
nachchristlicher Zeit das Buddhabild seinen Einzug hielt. 
In China war der alte Ahnen- und Naturkultus vielleicht durch den 
westlichen Einfluß insofern bereichert, da von einem Gott als oberstem Herrscher — 
Shangti — gesprochen wird, der über die früher allein verehrten Sonne, Mond und 
Sterne, Himmel und Erde und die fünf heiligen Berge gesetzt wurde. Erst in 
chinesischer Weiterbildung, in der Chouzeit (1122—249) wird der Himmel gleich- 
bedeutend mit Gott genannt und so die Vorstufe zu dem Pantheismus geschaffen, 
der im wesentlichen heute noch gilt. Es gibt in den klassischen Büchern einen 
Himmel, aber keine Hölle, und über das Leben der Zukunft haben die rationa- 
listischen Gelehrten keine Spekulationen aufgestellt. Der Glaube an einen obersten 
Gott und die Naturkräfte in Verbindung mit dem Ahnenkultus führte zu jener . 
Auffassung, die bis zum heutigen Tage als Grundgesetz der sozialen und religiösen 
Entwicklung in China angesehen werden kann. 
Der Vater ist der Priester für die Familie, der Fürst jedes Staates der 
Priester für das Volk und der „Sohn des Himmels“ der Priester für das Kaiserreich, 
während eine Vermittlung durch zünftige Priester völlig ausgeschaltet blieb. Nur 
sie dürfen die Opfer darbringen und nur der Kaiser die an den obersten Gott und den 
Gott der Naturkräfte. Diese Stellung des Kaisers erinnert an den König-Priester 
von Kreta. Die Opfer bestanden in Darbietungen und Gebeten. Die oberste heilige 
Funktion und gleichsam die äußere Form der kaiserlichen Macht bestand in der Voll- 
ziehung der Opfer, und hierzu waren nach einem feststehenden Ritual die oben 
(8.17) erwähnten neun Gefäße notwendig, so daß deren Besitz mit dem der 
kaiserlichen Macht gleichbedeutend wurde. Hieraus wird erst verständlich, wie 
die Form der Opfergefäße, auch für den Privatgebrauch, ihr Dekor und ihr Material 
eine religiöse Bedeutung bekamen, von der abzuweichen ein Aufgeben der vieltausend- 
jährigen Tradition bedeuten würde. 
In diesem Zusammenhange möchte ich auf ein Symbol hinweisen, das bisher 
noch keine Erklärung gefunden hat und vielleicht auch aus dem fernen Westen mit 
der Vorstellung des obersten Gottes zugleich eingeführt worden ist. Auf dem Krö- 
nungsornat des Kaisers von Japan aus dem 6. J ahrhundert n. Chr. etwa, das eine 
getreue Kopie des chinesischen Kaisertalars sein dürfte, findet sich als heiliges 
Zeichen neben Sonne und Mond, Drache und Phönix und ähnlichen bekannten Em- 
blemen, eine Axt. Wir werden sehen, daß Äxte aus Bronze die Waffe der ältesten 
Bronzezeit (Abb. 13) sind und daher wohl einfach ein Herrschaftssymbol sein können. 
Aber wenn wir in dem Kulturkreis des Ägäischen Meeres Umschau halten, so finden 
wir im prämykenischen Kreta?) das Doppelbeil des obersten Gottes als Zeichen 
der Herrschaftsgewalt über das Universum in den verschiedensten Größen und An- 
wendungen, als Prozessionsgerät auf langer Stange, in dünnstem Guß als Amulett, 
ı) Sophus Müller, Urgeschichte Europas. Straßburg 1905. Wörtliche Zitate habe 
ich in Anführungszeichen gesetzt. 
2) A. Mosso, The palaces of Crete and their builders. London 1907. — P. M.J. 
Lagrange, La Crete ancienne. Paris 1908.
	        
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