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zu sinken, es entstand en Rückgang im K unststil und im Handwerk. Zu
gleicher Zeit begann auch die Macht der kaiserlichen Zentralgewalt in China unter
der Choudynastie (1122—249 v. Chr.) nachzulassen. Das Kaiserreich bestand aus
einer Reihe kleiner Feudalstaaten, die in blutigen Fehden sich untereinander be-
kämpften und das Reich verwüsteten. Gleichzeitig machten die Tatarenvölker
im Westen und die südlichen Barbarenvölker kriegerische Schwierigkeiten.
Noch waren die Verbindungen mit dem Westen vorhanden, aber neue Ideen
und Techniken wurden nicht von tatkräftigen Herrschern zum Wohle des Volkes
eingeführt, sondern verschwenderische Wüstlinge auf dem Thron brachten fremd-
ländische Kostbarkeiten zu ihrem Luxus und Vergnügen zusammen. Shousin (1154
bis 1123) legte einen Tierpark mit großen Kosten an und ließ die seltensten Tiere
aufkaufen. Es ist wohl möglich, daß mancher fremdländische Gast den Bronze-
künstlern als Vorbild gedient hat. Der Elefant kam in den damals noch nicht zu
China gehörigen Ländern am Mittellauf des Yangtsekiang wild und gezähmt vor und
scheint von dort in die chinesische Kunst übernommen zu sein.
Viel umstritten ist die Deutung des Berichtes über die weiten Reisen vom
Kaiser Muwang (1001—947 v. Chr.) nach dem Westen. Forke!) hat in einer geist-
reichen Studie in dem Besuche bei der ‚Westlichen Königsmutter‘“ (Siwangmu)
eine Reise zu der zeitgenössischen Königin von Saba, der Freundin König Salomos,
zu beweisen versucht. Ich halte sachlich den Besuch wohl für möglich, und die Be-
weise, soweit chinesische Schriften aus späterer Zeit überhaupt etwas beweisen
können, lassen es denkbar erscheinen. Jedenfalls ist es für unsere Untersuchungen
wichtig, festzustellen, daß der Verkehr mit dem Westen aufrechterhalten war und
die Chinesen die Kenntnis fremder Länder und Sitten besaßen, ohne daß um die
Wende des Jahrtausends ein neuer Einfluß in der Kunst zu erkennen ist. Die Be-
richte aus den fernen Reichen erzählten von wunderbaren Tieren, in denen Strauße
und Papageien vermutet werden, und von der Wunderkraft eines westlichen
Schwertes, das ‚Edelsteine wie Lehm‘ zerschnitt und vielleicht das erste Eisen-
schwert aus der damals bereits blühenden Waffenfabrikation in Damaskus war,
das nach China kam, ohne daß man das Material verstand.
Zusammenfassung
Wir können annehmen, daß so wie in Europa auch in
China die Kunst in der Bronzezeit des 2. Jahrtausends v. Chr.
durch die Ausstrahlungen des mykenischen Kulturkreises her-
vorgerufen wurde. Die einmal überlieferten Anregungen und
Vorbilder wurden dann in nationalem Stile umgestaltet.
Der festungsartige Kaiserpalast und die gewaltigen Grab-
bauten wurden eingeführt, aber die Kunst blieb rein deko-
rativ an der Oberfläche des Gegenstandes gebunden. Bronze
war das ausschließliche Material der Waffen und Opfergefäße.
Die Verzierung beschränkte sich auf lineare Ornamentik und
Tierstilisierung. Die höchste Aufgabe der Kunst, die Dar-
stellung der menschlichen Gestalt, blieb unbekannt.
1) A. Forke, Mu Wang und die Königin von Saba, Seminar f. oriental, Sprachen VII.
1904, 8.117 — Ablehnung von @iles, Huber, Chavannes, Hirth — Erwiderung: Forke,
Se Wang Mu. Seminar f. oriental. Sprachen, 1906, IX I, S. 409-417.