Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

  
VEN REN RE RR 
   
Baum — Gewichte — Krone — Grabkammer 51 
Dieser Stil scheint bei Grabreliefs für Jahrhunderte in Übung geblieben zu sein. 
Wenigstens nur so kann ich es mir erklären, wenn einzelne Reliefsteine eine viel ge- 
ringere Kunstfertigkeit in der Ausführung zeigen. Die Bewegungen der Pferde sind 
typisch statt naturalistisch, kleinliche Einzelheiten der Ausrüstung sind schärfer betont 
als früher, während die auf anderen Steinen so vortreffliche Silhouette nach dem Leben 
vernachlässigt oder manieriert ist. Bei den Menschen sind Augen und Mund durch 
naive Linien unschön angedeutet, aber die Verhältnisse der Figuren untereinander 
und die Bewegungen sind mehr ornamental dem Raum eingepaßt, als nach der Natur 
studiert. Die Gebäude sind ungenauer gezeichnet. Der Baumschlag zeigt zwar stili- 
sierte Lotusblüten, aber der Stamm und die Stellung der Blüten ist mehr realistisch. 
Kurz, das Ganze macht den Eindruck von einer handwerksmäßigen Ausführung in 
dem alten Stile, zu einer Zeit, als der Geist und die künstlerische Beherrschung der 
Stilsprache bereits verloren gegangen war. 
An westliche Kunst erinnert der Kopf mit der dreizackigen Krone (Abb.31l). 
Im alten Kreta war der Ochsenkopf mit seinen beiden Hörnern zu einem symbolischen 
Ornament von zwei Zacken gestaltet, und zwischen den Hörnern kommt ein dritter 
Aufsatz vor als Symbol für die heilige Doppelaxt.!) Vielleicht ist aus diesem ersten 
  
Abb. 32 Göttin mit Engeln, Phantasiefiguren, Kentauren, Menschen, Pfau. Steinrelief vom Giebel des Grabmals 
der Familie Wu, 147 n. Chr, 
(Aus: Chavannes, La seulpture en Chine) 
Gottessymbol Jahrtausende vor Christus die Krone des König-Priesters entstanden, 
vielleicht sind hellenistische oder andere Einflüsse maßgebend; jedenfalls ist es keine 
chinesische Form. Auch einer in China fremden Symbolik und Kunst gehören die 
beiden sich in ihre Schwänze beißenden Hunde an, die an „Wikingermotive“ 
(s. S. 41) erinnern. 
Form und Komposition eines dreieckigen Giebelsteines (Abb. 32) läßt 
griechische oder römische Einflüsse erkennen. Desgleichen dürften die Kentauren 
von dort stammen, falls sie nicht erst aus dem Orient nach Europa gekommen 
sind. Vor allem dürfte die Form der Grabkammer selbst unter dem Einfluß 
des hellenistischen Kulturkreises entstanden sein. Wir haben die gewaltigen Erd- 
und Steinpyramiden mit den Grabkammern und den langen Zugängen kennen ge- 
lernt, die von Mykenä bis Japan und Norwegen seit Jahrtausenden üblich gewesen 
waren. Dagegen wurden in Griechenland, im Archipelagos und in Kleinasien schon in 
prämykenischer Zeit kleine Grabkammern in Form viereckiger Steinkisten mit einem 
größeren Stein an jeder Seite, einem Deck- und einem Bodenstein und mit einer 
Öffnung, die an der Seite den Zugang zum Grab bildete, benutzt. Diese sind die 
ältesten, für mehrere Leichen bestimmten Gräber, während vorher das Einzelgrab 
herrschte, und zugleich sind sie die ältesten Steinkammern in der Reihe der 
Grabbauten. Diesem Stile, nur in etwas veränderter Form, entsprechen die 
kleinen chinesischen Grabkämmerchen der Hanzeit, zu denen obige Reliefsteine 
1) Lagrange, La Crete ancienne, Paris 1908, Abb. 62 u. 63, $. 83. 
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
   
  
  
  
   
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
   
	        
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