Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

52 Hanzeit — Mittelasiatischer Mischstil 
gehören.) Auf einem quadratischen Raume erheben sich drei rechtwinklig zu- 
einander stehende Steinwände von 1,13 m Höhe und 1,36.m Beeite, während die 
vierte Seite als Zugang offen ist. Auf den beiden Seitenwänden sind dreieckige 
Giebelaufsätze (Abb. 32), welche zwei Decksteine als Dach tragen. 
Auch die streifenförmige Anordnung der Dekorierung (Abb.25 und 28) und 
die Auswahl der dargestellten Sujets hat in Europa ein Gleichnis. In Italien hatte sich 
in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. ein neuer Stil entwickelt. Die ältere, 
lineare Ornamentik, die niemals aus China bekannt geworden ist, hatte man fallen 
lassen und dekorierte nun mit Menschen- und Tierbildern. Dann trat ein orien- 
talischer Einfluß auf. Neben den bisher beliebten Vögeln und Pferden spielten phan- 
tastische Figuren eine hervorragende Rolle; es erscheinen Löwen, Sphinxe und ge- 
flügelte Gottheiten (Abb. 32). „Besonders im Norden, am Becken der Adria, der 
hen der Balkanhalbinsel und Italien, sind merkwürdige Bronze- 
Darstellungen gefunden, die ähnlich auch bei Bologna 
vorkommen und im ganzen unter die hordetrurisch-barbarische Kunst um die Mitte 
des Jahrtausends fallen. Szenen aus dem eigenen Leben, Festgelage, Wettfahrten, 
Kampfspiele, Bilder aus dem Innern des Hauses, Szenen ländlicher Arbeit mit Pflug 
und Rindern, Aufzüge von Reitern und Wagenfahrern wechseln“ — wie in China — 
in bunter Folge auf den schmalen, übereinander gereihten Streifen, die die volle 
Fläche bedecken, ab. Sogar in Einzelheiten sind Übereinstimmungen, z. B. bei den 
kleinen Figuren, die zwischen den großen Menschen als Füllung der freien Stellen 
angebracht sind (Abb. 32). Die italische Ausführung, allerdings in Bronze, ist viel 
schlechter, als die der chinesischen Steinreliefs. 
Wir können die chinesische Hankunst mit denselben Worten charakterisieren, 
die Sophus Müller ?) für die eben erwähnte Kunst Italiens gebraucht: „Hier an der 
äußersten Grenze zwischen der klassischen und barbarischen Welt entrollen uns 
diese Bilder ein Kulturleben, das aus einer vollständigen Verschmelzung von Ele- 
menten beider Welten hervorgegangen war.“ 
Norditalien und China bildeten in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. 
gleichsam die Endpunkte in West und Ost, an denen Ausstrahlungen der orientalischen 
Kunst des Westens von Asien auf primitivere nationale Sonderkünste einwirkten. 
Was an diese Grenzen der damaligen Kulturwelt drang, waren nur einzelne Kunst- 
elemente der Auffassung und Idee, der Technik und Dekoration, die von der älteren 
lokalen Kunst aufgesaugt und zu einem jeweilig neuen, eigenartigen Mischstil aus- 
gebaut wurden. 
Daß gleiche Kulturverhältnisse dort und hier — wenn auch um Jahrhunderte sich 
verschiebend — herrschten, wird auch noch durch weitere Einzelheiten bestätigt, die 
allein betrachtet nicht als Beweis eines Zusammenhanges gelten können. So wird aus 
Italien berichtet: „Während Gold und Silber kostbarer wird und der Ersatz durch 
dünnes Goldblech beginnt, werden Bronzegefäße immer zahlreicher, Eisen tritt immer 
mehr in den Vordergrund, und der Handel mit Glas und Bernstein kommt in aus- 
gedehnte Verwendung.‘ Um 500 v. Chr. begann auch die langsam vordringende Eisen- 
zeit in China. Weiter unten werden wir von Glasfenstern (8.71) hören, deren Herstellung 
im Osten unbekannt war und die daher als Edelsteine geschätzt wurden, und ebenso 
Verbindung zwisc 
gefäße mit figurenreichen 
!) Abbildung in Chavannes, La sculpture sur pierre en Chine, 8. 2. Eigenartig aus- 
gestattete Grabkammern und Opferhalle ähnlicher Art aus Shantung abgebildet bei 
Fischer, Vortrag gehalten auf dem 15. internationalen Kongreß in Kopenhagen, T’oung- 
pao, 8. 582—583, Tafel, und in Fischer, Erfahrungen auf dem Gebiete der Kunst und 
sonstige Beobachtungen in Ostasien, Ztschr. f. Ethnologie, 1909, S. 1—21, Abb. 15—17. 
Kokka, Heft 225 und 227, Tei Sekino, Stone mortuary shrines with engraved tablets of 
ancient China under the latter Han Dynasty. 
2) Sophus Müller, Urgeschichte Europas, 8. 126, Abb. 107—110. 
   
     
    
  
  
   
  
  
  
   
   
  
   
  
   
   
   
   
  
   
  
  
   
  
  
   
   
   
  
   
   
   
  
   
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
    
  
  
   
   
  
  
   
  
 
	        
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