Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

  
  
54 Hanzeit — Mittelasiatischer Mischstil 
wendet. Die Herstellung dieser kleinen Bronzeschellen scheint eine ganz besondere 
Kunst gewesen zu sein, denn nur so ist es zu verstehen, wenn sie in China, auf einem 
Brettchen befestigt, als Reisepaß gebraucht wurden. Vielleicht war das Rasseln der 
Schellen als Ankündigung eines Reisenden von Rang in Gebrauch; jedenfalls besagt 
ein Edikt!) des japanischen Kaisers (646), daß nach chinesischem Vorbilde auf 
den Klingelpässen Rang und Ziel der Reisenden eingraviert werden sollen. Noch 
heute gebrauchen Priester mit Schellen besetzte Instrumente als Kultgerät, woraus 
ebenfalls auf eine alte Sitte geschlossen werden kann. 
Einen weiteren Fortschritt der Kunst bedeutet die Ausschmückung der runden 
Bronzespiegel mit Relief (Abb. 33—39). Vögel und vierfüßige Tiere sind in 
lebendiger Bewegung gezeichnet. Menschen fehlen, während eine neue Art der 
Ornamentik beginnt und Pflanzen und Insekten häufig vorkommen. 
  
Abb. 37 u. 38 37 Vögel, geflügelte Vierfüßer, Löwen und Pferde in Rankenornament mit Trauben, Sehnur- 
knopf in Gestalt eines Löwen; 38 Pferde im Galopp und Phönix zwischen Ranken mit rundem. Schnur- 
knopf, Rand mit Pflanzen, Schmetterlingen und Vögeln. Rückseiten von Spiegeln, Bronze mit Relief, 
Stil Hanzeit 206 v. Chr. bis 221 n. Chr. 
(Aus: Seishi Kokkan) 
Hirth 2) hatin dem Traubenornament derBronzespiegel(Abb.37und 39) einen grie- 
chisch-baktrischen Einfluß zu erkennen geglaubt. Allerdings überläßt er dem Kunst- 
kenner die Entscheidung, „ob und inwiefern weitere westasiatische Einflüsse in dieser 
Ornamentik nachzuweisen sind“, Die Kunst der Baktrier bezeichnet er als eine Ver- 
mischung griechischer und asiatischer Einflüsse, ohne den letzteren ganz allgemeinen 
Begriff näher zu spezifizieren. Er vermutet den baktrischen Einfluß, weil die Wein- 
traube in China unbekannt und ihre Einführung erst eine der Folgen der Reise von 
Chang Kien (s. 8. 44) war, der sie aus dem Westen mitbrachte. Hirth führt weiter 
aus, daß die Zeichnung auf den Metallspiegeln „nicht Versuche zu einer Darstellung 
des soeben erst angepflanzten, früher nie gesehenen Weinstockes“ sein konnten, 
sondern ‚„‚die fertige Ornamentik der Traube ist, wie sie griechischer Kunstsinn erst 
nach jahrhundertelanger Übung geschaffen und über die vom Geist der griechischen 
Kunst durchtränkten Kulturgebiete Kleinasiens bis zu den Abhängen des Tsungling 
En ae n 2 ; = i 
) Nihongi, Kotoku-’Tenno, 646 — Florenz, Japanische Annalen, Nihongi, Buch 
XXIII—XXX, 1903, S. 112, Abbildung eines Klingelpasses. 
?) Fr. Hirth, Über fremde Einflüsse in der chinesischen Kunst. München 1896. 
   
     
  
    
   
   
   
   
   
  
  
  
   
   
   
      
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
	        
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