Tierkreis — Falken — Möbel — Zusammenfassung 67
eingehende Studien über die Verbreitung der Falkenjagd angestellt und kommt zu
dem Schluß, daß Turkistan als das Mutterland für diese Sitte anzusehen ist.!)
In der klassischen Zeit Chinas waren Tische und Stühle gänzlich un-
bekannt, und noch auf den Steinreliefs sitzen die Vornehmen auf der Erde
(Abb. 25). Laufer übersetzt einen chinesischen Schriftsteller ?2) aus dem Jahre 320,
der sagt, daß ‚der Hankaiser Ling (168—188) die Sitte des türkischen Sitzes
einführte. Es wurden verschiedene Stühle von Bambus und Holz hergestellt,
und alle wurden nach dem Beispiel der türkischen Sitze geformt“. In Turkistan
hat Stein®) einen geschnitzten Holzstuhl aus späterer Zeit ausgegraben. Aber
es scheint mir fraglich, ob die westliche Sitte der Stühle für den allgemeinen
Gebrauch damals nach China gelangt ist. Weder derartige Möbel noch Abbil-
dungen sind erhalten, und die überlieferten Sitten und Bauten lassen eigentlich
das Gegenteil vermuten. Die besondere Beachtung, die in der Literatur dem
ersten Gebrauch von Sitzmöbeln gewidmet wird, zeigt das Außergewöhnliche und
Seltene. Es dürfte sich wohl mehr um Thronsessel oder dergleichen gehandelt
haben als um ein tägliches Gebrauchsstück. Als mit dem buddhistischen Glauben
auch die Sitten aus Zentralasien nach China drangen, wurde der erhöhte Sitz
mehr beliebt. Wir finden ihn auf einzelnen Steinrelieis (Abb.86, 89) des 6. Jahrhunderts
abgebildet, aber wenige Zeit später sind derartige Darstellungen selten. Nur der
Priester behält für feierliche Gelegenheiten einen Sitzstuhl mit Rücken- und Arm-
lehne bei, und auch er zieht meistens die Füße hoch und sitzt mit unter-
geschlagenen Beinen. Aus dem Stuhl wird ein Hocker oder ein drapierter Unterbau
(Abb. 105). Im allgemeinen bleibt das Sitzen auf der Erde beibehalten.
Wann die heute in China allgemein üblichen Tische und Stühle als volks-
tümliche Sitte aufkamen, ist bisher nicht feststellbar gewesen. Jedenfalls erst in so
junger Zeit, daß ein Einfluß aus der Hanzeit nicht angenommen werden kann.
Zusammenfassung
Die Bewohner der neugegründeten Staaten Mittelasiens,
besonders die Türkvölker, schufen aus mykenischen, per-
sischen, skythischen, hellenistischen und anderen westlichen
Elementen einen eigenen Mischstil, der Chinas Kunst auf das
stärkste beeinflußte. Der Motivenschatz wurde durch die
Darstellung von Menschen, Tieren und Pflanzen bereichert,
aber noch viel wichtiger für die Entwicklung der Kunst
war es, daß die realistische Auffassung zu dem Studium der
Natur führte. Dadurch konnte die seit 2000 Jahren an die
Fläche gebundene Dekoration zur selbständigen Darstellung
von Stimmungen und Ideen befreit werden.
Die Techniken wurden durch das Reliefmeißeln in Stein
und durch die plastische Töpferei wesentlich bereichert. Durch
das Nachschaffen der natürlichen Vorbilder wurden in stili-
sierter Übertragung neue Gefäß- und Gerätformen geschaffen.
1) Laufer, Chinese pottery of the Han Dynasty, S. 231 u. ff. Das erste Buch über
Falkenjagd erschien in China unter der Suidynastie (518—617) und in Deutschland erst
1472. — O. Schrader, Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde, Straßburg 1901,
S. 211, hält ebenfalls Turkistan für die Wiege der Falkenjagd, von wo aus zuerst in ganz
Asien und dann unter Kaiser Friedrich II. auch in Deutschland die Einführung stattfand.
2) Laufer, Chinese pottery of the Han Dynasty, 8. 235. Zitat aus: San t’sai t’u
hui, Buch 12, S. 14a.
3) Abbildung s. Aurel Stein, Ancient Khotan.