Full text: Vorbuddhistische Zeit. Die hohe Kunst: Malerei und Bildhauerei (Band 1)

   
     
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
74 Hanzeit — Griechisch-römischer Stil 
bekannt!) geworden. Von dem Palast ist nichts mehr vorhanden, aber die Ziegel 
sind von chinesischen Archäologen und Liebhabern eifrig gesammelt und nach- 
geformt. Ganze Ziegel sind selten erhalten, aber die verzierten Abschlußscheiben 
wurden abgeschnitten und ihre Rückseite zum Anreiben der Tusche verwendet. 
Die Verzierungen dieser runden Flächen in Relief zeigen zum großen Teile einen 
Knopf in der Mitte (Abb. 73, 75), der an den Schnurknopf auf den Rückseiten 
der Metallspiegel (Abb. 38) erinnert. 
Es ist zu beachten, wie für gewisse Gegenstände und Techniken stets gewisse 
Formen der Kunstsprache beibehalten blieben, die wahrscheinlich der 
zufälligen Einführungsform entsprachen. Auf den Steinreliefs sahen wir die 
Menschen und Tiere des Alltagslebens, aber es fehlten Pflanzen und Schriften; auf 
den Bronzespiegeln waren Pflanzenranken und stilisierte Tiere, aber es fehlte die 
Schrift und die Menschendarstellung; auf den Tongefäßen fanden wir Bergorna- 
mente mit stilisierten Tieren und Jagdszenen in typischen Formen, aber es fehlte 
die Pflanze, das Alltagsleben und die Schrift. Auf den Dachziegeln sind vorwiegend 
dekorativ angeordnete Schriftzüge und daneben einige wenige stilisierte Tiere 
angebracht, während alle realistischen Menschen- und Tierdarstellungen sowie 
Pflanzen fehlen. Diese in der Hanzeit geschaffenen Motive und Ausführungsarten 
sind im wesentlichen bis zum heutigen Tage vorbildlich geblieben. 
Die Totenbeigaben in Gestalt von Häusern (Abb. 69—71) haben einige 
äußerliche Ähnlichkeit mit den Hausurnen in Italien, in Norddeutschland und 
in andern Ländern; aber Laufer weist darauf hin, daß der Chinese niemals wie 
der Europäer Wohnhäuser darstellt. Er will dem Toten keine Wohnung mitgeben, 
sondern den Geistern der Verstorbenen gemäß dem uralten Kultus der Totenopfer 
Nahrungsmittel opfern. Daher finden sich Kornspeicher, Kornmühlen, Korn- 
stampfer, aber keine Paläste und Wohnhäuser. 
Interessant ist die Beobachtung Laufers,?) daß in Europa die Wasser- 
mühle im 1. Jahrhundert n. Chr. eingeführt wurde und daß genau zu gleicher 
Zeit sie zum ersten Male in China erwähnt wird — offenbar sind die Römer 
hier wie dort die Verbreiter gewesen. In Japan wird erst 610 von einem 
Koreaner die erste Mühle errichtet und in Tibet 635. Wir können im allgemeinen 
annehmen, daß die japanische Kultur bis zum 6. oder Anfang 7. Jahrhunderts 
ein ziemlich treues Abbild der chinesischen Hankultur gibt. Diese Beobachtung 
ist insofern wertvoll, da in Japan aus dieser Zeit mancherlei erhalten ist, was in 
China längst verloren ging. Allerdings entwickelt sich dann die japanische 
Kultur sehr schnell, und die Zeit des 8. Jahrhunderts entspricht der fast gleich- 
zeitigen Tangzeit in China. 
Auf der Spitze eines Tempels stand ein bronzenes Götterbild, das in der aus- 
gestreckten Hand eine Schale hielt mit einem Becher aus kostbarem Stein, vielleicht 
Nephrit, um den Tau für Zaubergebräuche aufzufangen. Eine Vorstellung von dieser 
Kolossalfigur können wir uns machen, da die Größe der Hand auf sieben Handspannen 
im Umfang angegeben wird. Wie das eherne Bildnis der Pallas Athene auf der Akro- 
polis muß diese Riesenfigur auf der Spitze des 500 Fuß hohen, wohl pyramidenartig 
sich verjüngenden Etagenbaues weithin sichtbar gewesen sein. 
Am Eingang des Palastes waren zwei etwa 200 Schritt voneinander entfernt 
stehende Tore, deren 250 Fuß hohe Bauten von kupfernen Phönixen gekrönt waren. 
Ein kupferner, vergoldeter Phönix von 5 Fuß Höhe saß auf einer Angel als Wind- 
1) Forke, Die Inschriftenziegel aus der Chin- und Hanzeit, Mitteilungen des Semi- 
nars für orientalische Sprachen, 1899, Bd. VII, S.1. 14 Tafeln. — Laufer, Chinese 
pottery of the Han Dynasty, 8. 300 u. ff., Taf. LXV—LXVII. — Weitere Abbildungen 
im Kapitel über Töpferei in Band II. 
2) Laufer, Chinese pottery of the Han Dynasty, S. 34.
	        
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