Chinesische Literatur 99
Funden aus verschiedenen Provinzen des Reiches berichtet. Welche Bedeutung
dem Auffinden solcher alten Gefäße damals beigelegt wurde, beweisen die genauen
Angaben der Historiker, die stets einen solchen Fund als glückliches Zeichen
berichten.)
Jm Jahre 116 v. Chr. wurde ein dreifüßiges Opfergefäß (genannt „Ting“) an
dem Ufer eines Flusses in der Shansiprovinz ausgegraben, und zur Erinnerung an
dieses Ereignis wechselte der Kaiser Wuti seinen Titel in „Yuan Ting‘ (161 bis
111 v. Chr.). Diese Wertschätzung erhielt sich auch in der späteren Zeit. So wurde
722 der Name der Stadt Yung Ho am Gelben Fluß verändert in Pao Ting Hsien
„die Stadt des kostbaren Opfergefäßes“, als man dort einen Bronzekessel („Ting“)
ausgegraben hatte. Hieraus ersehen wir, wie selten prähistorische Kessel schon
in vorchristlicher Zeit waren.
Seit dem 10. Jahrhundert wurden die alten Bronzen nicht mehr in gleicher
Weise als heilig angesehen, und damals sollen aus alten Adelsgräbern manche Stücke
ausgegraben und den kaiserlichen und Privatsammlungen eingereiht worden sein.
Dadurch wurde es möglich, daß der Kaiser Huitsung (1101—1126) statt der bisher
nur einzeln vorhandenen Stücke eine umfangreiche Sammlung zusammenbringen
konnte. Dieser Herrscher war ein Sammlertalent auf dem Kaiserthron. Er hatte
eine berühmte Sammlung von allen möglichen Dingen in seinen weitläufigen und
kostbaren Palästen und Parkanlagen vereint. Fremde Tiere und Steine, Pflanzen
und Bäume ließ er von weither herbeischaffen, aber auch von den einheimischen
Kunstprodukten vergangener Zeiten sammelte er das Beste. Nichts ist von den
Gegenständen erhalten ; die Kaisermacht im Norden erlahmte und die letzten Trümmer
wurden von den Mongolen vernichtet.
Aber Huitsung hatte den Gelehrten Wang Fu beauftragt, ein Verzeichnis seiner
Bronzesammlung mit Abbildungen. herauszugeben, und dieser Katalog (Pokutulu)
bildet noch heute die wesentlichste Grundlage aller archäologischen Forschung.
Chinesische Literatur
Datierung und Kunstkritik
Die Benutzung von Bronzegeräten und -gefäßen verschiedener Art wird schon
in den ältesten Schriften, Jahrhunderte vor Christus, erwähnt, aber keinerlei nähere
Angaben gestätten einen Rückschluß auf die künstlerische Ausführung. Das erste
Spezialwerk ?) über Bronze, Ting Lu von Yu Li, war ein kurzer historischer Bericht
von besonders berühmten ‚‚Ting‘‘-Gefäßen; aber dieses Buch aus dem 6. J ahrhundert
enthält noch keine Abbildungen und viel Sagenhaftes.
Erst in dem 11. Jahrhundert, als die große Zeit des Schaffens und Erfindens
in der Kunst auszuklingen begann und die Epigonen sich mit dem Sammeln be-
gnügten, entstand in den beschreibenden Katalogen der Sammlungen eine wissen-
schaftlich historische Grundlage. Lu Talin veröffentlichte 10861094 in zehn
Büchern mit Abbildungen eine Auswahl von Bronzen aus Privatsammlungen unter
dem Titel Kaokutu (Illustrierte Prüfung von Antiquitäten).
Das Hauptwerk aber bildet das oben erwähnte Werk von Wang Fu über die
Sammlung des Kaisers Huitsung, das unter dem Titel „Hsuan Ho (Name eines
Palastes) Pokutulu“, abgekürzt „Pokutulu“ genannt, in 30 Büchern in den Jahren
1) Bushell, Chinese art, Bd. I, S. 80.
?) Ich folge den sinologischen Studien von Bushell, Chinese art, Bd. 2,8 71 —-
Hirth, Chinese metallic mirrors, Boas memorial volume, Newyork 1906, $S. 208—3255.